amiga-news ENGLISH VERSION
.
Links| Forum| Kommentare| News melden
.
Chat| Umfragen| Newsticker| Archiv
.

amiga-news.de Forum > Get a Life > Der Politik-Thread auf amiga-news.de [ - Suche - Neue Beiträge - Registrieren - Login - ]

1 -2- 3 4 5 [ - Beitrag schreiben - ]

25.09.2006, 13:47 Uhr

CASSIUS1999
Posts: 918
Nutzer
Du hast schon Recht, es gibt kein allgemein gültiges Krankheitsbild.

Genauso wie es kein Allgemeingültiges Medikament für die betreffende Krankheit gibt. Das ist eben diese wunderbare Unklarheit, aus der die Verbrecherkartelle der Pharmaindustrie das Kapital schlagen.

Krankheiten werden erfunden, damit man neue Medikamente auf dem Markt bringen kann. Man denke da nur an die Hormonbehandlung in den Wechseljahren einer Frau, die eher nach Hinten losgehen kann, als dass sie wirklich etwas bewirkt, oder die diversen Schlankheitspräparate, die einen weiß machen wollen, dass man auch ohne FDH schlank werden kann.

Und wenn bei einem namhaften Medikament die Patentfrist abgelaufen ist, wird oft von den Großen Konzernen fluchs ein neues Medikament mit neuem Namen auf den Markt geworfen, welches nur minimal anders und nicht sonderlich besser ist als das "alte" Medikament, aber welches wunderbar geeignet ist um wieder Patentschutz zu haben und damit die Konkurrenz auf Distanz zu halten. Die Ärzte hält man sich mit Seminaren und Vergünstigungen bei Laune.

Die Leidtragenden dieser Taktik sind die Beitragszahler.

Die Positiv-Liste wäre ein Anfang gewesen, um diesem Treiben in gewisse Bahnen zu lenken. Und sie wäre mit sicherheit nicht so starr geworden, wie Du es skizziert hast @Maja.

--
--
Amiga 1000 Forumsfraktion
--
"Das war nicht nur der Sprung vom Käfer zum Golf, sondern gleich zum schnellen BMW" S. Slabihoud, Computerhistoriker über den Amiga Start
20 Jahre Amiga

[ Dieser Beitrag wurde von CASSIUS1999 am 25.09.2006 um 14:40 Uhr geändert. ]

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

25.09.2006, 14:25 Uhr

CarstenS
Posts: 5566
Nutzer
@Cassius1999:
> Die Positiv-Liste wäre ein Anfang gewesen, um diesem Treiben in gewisse
> Bahnen zu lenken.

Allerdings.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

26.09.2006, 01:22 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@CASSIUS1999:

> Genauso wie es kein Allgemeingültiges Medikament für die
> betreffende Krankheit gibt. Das ist eben diese wunderbare
> Unklarheit, aus der die Verbrecherkartelle der Pharmaindustrie das
> Kapital schlagen.

Blafasel... alle Pharamkonzerne sind Verbrecher .... blafasel....

Ohne Auswüchse verteidigen zu wollen: Du vergisst eine winzige Kleinigkeit. Für unsere gestiegene Lebenswerwartung haben u.a. auch diese Konzerne gesorgt. Das sie damit auch Geld verdient und Gewinne gemacht haben und machen, liegt wohl daran, dass es Unternehmen der freien Wirtschaft und keine gemeinnützigen Vereine sind.

Dass Preise für Medikamente in Deutschland im internationalen Vergleich exorbitant hoch sind, hat nicht nur etwas mit den Pharmakonzernen, sondern ganz erheblich mit der deutschen Erfindung der Apothekenpflicht für Arzneimittel und der undruchsichtigen Gebührenordnung für Apotheken zu tun. Von deren Gewinnspannen können normal Einzelhändler nur träumen. Wobei die Definition von Arzneimittel zuweilen recht gefällig anmutet. Gefällig für die Apotheken.

Wenn Du also draufhauen willst, dann greif Dir alle Kapitalschlager.

> Krankheiten werden erfunden, damit man neue Medikamente auf dem
> Markt bringen kann. Man denke da nur an die Hormonbehandlung in den
> Wechseljahren einer Frau, die eher nach Hinten losgehen kann, als
> dass sie wirklich etwas bewirkt,

Jede Therapie kann auch nach hinten losgehen. Das ist kein Grund, denen nicht mehr zu helfen, denen es tatsächlich hilft. Wobei diese Therapie inzwischen längst nicht mehr so umstritten ist wie noch vor ein paar Jahren. Die Dosierungen sind heute weit niedriger als am Anfang dieser Behandlungsmethode. Es inzwischen gilt sogar als erwiesen, dass gering dosiertes Östrogen in der Menopause vor Gebährmuttehalskrebs schützen kann.

Wie dem auch sei. Die Hormontherapie bei massiven Beschwerden in der Menopause ist erwiesenermaßen eine große Hilfe für die Mehrheit der betroffenen Frauen. Du kannst auch gewiss sein, dass kaum eine Frau ohne Indikation sich aus purem Spass am Tablettenschlucken Hormone reinschmeißt. Die Zahl derer, die unter starken Beschwerden leiden, hält sich in Grenzen. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist das sicher nicht. Ebenso wenig wie Freizeitsportler.

> oder die diversen Schlankheitspräparate, die einen weiß machen
> wollen, dass man auch ohne FDH schlank werden kann.

Die Präparate, von denen Du da sprichst, sind nicht verschreibungspflichtig. Was nicht verschreibungspflichtig ist, wird seit 1. Januar 2004 von der Kasse nur noch bezahlt:
  • für Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
  • für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr,
  • wenn sie als Therapiestandard bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen gelten.


Im übrigen: Bei krankhafter Fettleibigkeit helfen keine Schlankheitspräparate und auch kein FDH.

Aber was soll das alles überhaupt? Das ist genau die Neiddiskussion unter Versicherten, die bestimmte Kräfte in Verbänden und Regierung gern nutzen würden, um den Leistungskatalog erneut stark zu kürzen. Merkt Ihr denn nicht, was das für ein Spiel ist? "Wenn die Krähen sich gegenseitig die Augen aushacken, achten sie nicht darauf, was wir tun..."

> Und wenn bei einem namhaften Medikament die Patentfrist abgelaufen
> ist, wird oft von den Großen Konzernen fluchs ein neues Medikament
> mit neuem Namen auf den Markt geworfen, welches nur minimal anders
> und nicht sonderlich besser ist als das "alte" Medikament, aber
> welches wunderbar geeignet ist um wieder Patentschutz zu haben und
> damit die Konkurrenz auf Distanz zu halten.

Und natürlich ist das die Regel und wird ständig so gemacht. Darum gibts wohl auch gar keine Generika auf dem Markt....

> Die Ärzte hält man sich mit Seminaren und Vergünstigungen bei Laune.

Hach ja, alles koruppte Schweine....

> Die Positiv-Liste wäre ein Anfang gewesen, um diesem Treiben in
> gewisse Bahnen zu lenken.

Da bin ich anderer Meinung. Das wäre am Ende nur zu Lasten der Versicherten gegangen. Bei gleichzeitig irrem Verwaltungsaufwand, denn eine solche Liste müsste min. alle zwei Jahre überarbeitet werden. Und wer, bitte, soll dabei entscheiden, was, wann, wofür "wirksam" ist und was, warum auf keinen Fall bezahlt wird, auch dann nicht, wenn es neu auf dem Markt und nachweislich wirksam/er ist oder weniger (schwerwiegende) Nebenwirkungen hat? Was tun? Zwei Jahre warten, bis es in der Liste auftaucht?

Menschenskinder. Denkt das doch mal bis zum Ende. Wie soll das funktionieren? Wie soll so die Qualität der Versorgung auf aktuellem Niveau gewährleistet bleiben, wenn wird bezahtl und wird nicht bezahlt, über Monate, Jahre hinweg in Stein gemeiselt ist?

> Und sie wäre mit sicherheit nicht so starr geworden, wie Du es
> skizziert hast @Maja.

Sicherlich? Was macht Dich da so sicher? Gottvertrauen? Nicht von ungefähr sind vorallem Klinikärzte gegen diese Liste sturmgelaufen. Jene, die sich um die wirklich Kranken kümmern müssen. Das sollte doch zu denken geben. Denn Klinikärzte verdienen nicht an den Medikmenten, die sie ihren Patienen verabreichen. Die bekommen ein festes Gehalt.

@CarstenS:
> @Cassius1999:
> Die Positiv-Liste wäre ein Anfang gewesen, um diesem Treiben in gewisse
> Bahnen zu lenken.

> Allerdings.

Es gibt sie aber nicht. Was nun? Schmollen? Äußere Dich doch mal zu dem, was unter dem Link steht, denn ich ein paar Beiträge zuvor gab. Es hat doch nun wirklich keinen Sinn, etwas hinterherzuknatschen, was nicht ist. Wenn Du nicht nur klagen willst, sondern Dich wirklich interessierst, wirst Du auch durch etwas Googln feststellen, dass auch andere Medien über durch die seit Juli geänderte Zuzahlungsregelung sinkende Preise für Medikamente berichten. Fällt es Dir so schwer zuzugeben, dass offenbar doch nicht alles nur Mist ist?

Das ist nicht genug? Natürlich. Aber es ist ein Anfang in die richtige Richtung und es hat definitiv eine positive Wirkung auf die Preisgestaltung der Anbieter. Bleibt die Frage, wie lange Bayer und Co. ihre Preise dagegen auf gewohnt hohem Niveau werden halten können.

Was auf keinen Fall in Sinne von Versichterten und System wirksam ist, ist die Budgetierung von niedergelassenen Ärzten. Das schadet nur und gehört daher IMHO sofort abgeschafft.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

26.09.2006, 08:45 Uhr

CASSIUS1999
Posts: 918
Nutzer
@Maja: Man könnte meinen Du bist im Lobbyistenverband der Pharmakonzerne.

Nicht ein wirklich kritisches Wort über deren Vorgehensweise.

Dass die Apotheken ein Glied in dem erträglichen Kartell Pharmakonzerne-Ärzte-Apotheken sind ist auch klar.

Aber Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, dass die Ärzte von den Pharmaunternehmen nicht umworben werden?

Und Deine Argumente gegen die Positivliste klingen wie aus der Presseerklärung der Pharmaunternehmer, weil die Angst haben, dass ihre Rekordgewinne in Gefahr sind.

In dem letzten Satz stimme ich Dir aber zu.
Die Tatsache, dass man eigentlich zum Arzt gehen sollte mit der Frage "welche Krankheit ist noch frei? ;) " ist schon schlimm.
Aber was wäre das richtige System?

Über die letzten 20 Jahre haben zu viele Leute zu oft in die Schatulle gegriffen und dann darf man sich nicht wundern, dass die Politik irgendwann die Notbremse zieht.

Und es ist nun mal eine Tatsache das vielfach Medikamente verschrieben werden, deren Wirksamkeit nicht unumstritten ist.

Wie paradox diese Situation auf dem Markt ist, zeigt die Sache, dass den Ärzten eine Zeit lang geraten wurde, aus Protest gegen die Änderungen des Gesundheitssystems nur das "medizinisch Notwendige" zu verschreiben.

Wie sagte Volker Pispers so schön:
"Was verschreiben die Kittelträger denn sonst?

Das beliebte Medikament Schadnix?

Sie unterscheiden also zwischen medizinisch sinnvoll und notwendig.

Und mir scheint, medizinisch sinnvoll ist alles, was nicht zum Tode führt, aber abgerechnet werden kann." :D


--
Amiga 1000 Forumsfraktion
--
"Das war nicht nur der Sprung vom Käfer zum Golf, sondern gleich zum schnellen BMW" S. Slabihoud, Computerhistoriker über den Amiga Start
20 Jahre Amiga

[ Dieser Beitrag wurde von CASSIUS1999 am 26.09.2006 um 10:21 Uhr geändert. ]

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

26.09.2006, 09:46 Uhr

CarstenS
Posts: 5566
Nutzer
@Maja:
> Aber es ist ein Anfang in die richtige Richtung und es hat definitiv
> eine positive Wirkung auf die Preisgestaltung der Anbieter.

Okay. Über die "Qualität" der aktuellen Liste kann ich keine Aussage machen, was aber auf jeden Fall fehlt, ist ein Anreiz für Ärzte (bzw. falls nur ein Wirkstoff angegeben ist für die Apotheke), auch wirklich ein zuzahlungsfreies Medikament zu verschreiben.

[ Dieser Beitrag wurde von CarstenS am 26.09.2006 um 09:50 Uhr geändert. ]

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

26.09.2006, 14:02 Uhr

Holger
Posts: 8116
Nutzer
Zitat:
Original von Maja:
Es inzwischen gilt sogar als erwiesen, dass gering dosiertes Östrogen in der Menopause vor Gebährmuttehalskrebs schützen kann.

Ja, was nicht alles so als erwiesen gilt. So wie fast jedes Nahrungsmittel und alles was man irgendwie berühren kann "erwiesenermaßen" krebserzeugend oder zumindest krebsfördernd ist. Zwar meistens in einem noch unerforschten Zusammenhang, aber irgendwie schon.
Da ist es schon gut, wenn man in so einer Umwelt genug pharmazeutische Mittel zur Verfügung hat, die "erwiesenermaßen" vor Krebs schützen können. Nur ein frühzeitiger Tod schützt noch sicherer vor Krebs.

Und wenn ein Mittel die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung um 50% senkt, dann sollte man doch sofort zuschlagen und ein evtl. 1%iges Risiko einer Nebenwirkung in Kauf nehmen, oder? (Bei einer 1%iges Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung hätte man in diesem Fall das persönliche Risiko, krank zu werden, gerade zum Wohle der Pharmaindustrie mehr als verdoppelt, aber das Gute daran ist: es ist dann sehr wahrscheinlich kein Krebs...)

Zitat:
Die Zahl derer, die unter starken Beschwerden leiden, hält sich in Grenzen. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist das sicher nicht.
Irgendeinen Grund wird das schon haben, wenn großformatige Plakate Werbung für die "Gesundheitvorsorge" machen, bestimmt nicht, weil Menschen ohne die Plakate nicht bemerken würden, wenn sie Beschwerden haben.
Zitat:
Aber was soll das alles überhaupt? Das ist genau die Neiddiskussion unter Versicherten, die bestimmte Kräfte in Verbänden und Regierung gern nutzen würden, um den Leistungskatalog erneut stark zu kürzen.
Ja, für Dich ist alles purer Neid, weil Dir die Mitversicherten nicht gönnen, wenn Dein Blutdruck per Medikament auf das "normale" Maß gebracht wird, Dein Cholesterin-Spiegel schön gesenkt wird (bis in den lebensgefährlichen Bereich, wenn's sein muss), oder Dein Osteoporose-Risiko um 0,0001% reduziert wird.

Aber vielleicht geht es manch einem doch um etwas anderes, das irgendwie mit Gesundheit, sowohl im wörtlichen, als auch übertragenen Sinne zu tun hat.

Zitat:
Original von CASSIUS1999:
Wie paradox diese Situation auf dem Markt ist, zeigt die Sache, dass den Ärzten eine Zeit lang geraten wurde, aus Protest gegen die Änderungen des Gesundheitssystems nur das "medizinisch Notwendige" zu verschreiben.


Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Als ich diese Drohung das erste Mal gehört hatte, dachte ich auch so was wie "wurde ja auch langsam Zeit"...
Aber jetzt ist ja wieder alles beim Alten, vermute ich mal.

mfg
--
Good coders do not comment. What was hard to write should be hard to read too.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

26.09.2006, 19:24 Uhr

Archeon
Posts: 1810
Nutzer
Ich bin zwar Wähler, aber ich wähle lieber jeden Samstag bzw Mittwoch, wenn der Jackpot hoch genug ist. Die 10 mal 6 Kreuzchen bringen mehr ein als die auf dem Wahlzettel :lach:

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

30.09.2006, 04:50 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@CASSIUS1999:

> Man könnte meinen Du bist im Lobbyistenverband der Pharmakonzerne.

Ich habe lediglich realtiviert, damits wieder sachlich wird.

> Nicht ein wirklich kritisches Wort über deren Vorgehensweise.

Doch. Nur nicht so, wie Du es gern hättest.

> Aber Du wirst mir doch nicht weismachen wollen, dass die Ärzte von den Pharmaunternehmen nicht umworben werden?

Natürlich werden Ärtze von Pharmakonzernen umworben. Ärzte sind einer der wichtigsten "Vertriebswege" dieser Konzerne. In der Regel läuft das so ab: Der Vertreter eines Pharmakonzerns besucht Ärzte in deren Praxis, erzählt was es Neues gibt, lässt Infomaterial und kostenlose Proben da und geht wieder.

Dann gibt es solche, die noch "etwas mehr" beim Arzt lassen, ob aus Eigeninitiative oder auf Geheiß ihre Arbeitgebers, verbal oder materiell. Solche Fälle gehören bestraft, wenn sie bekannt werden. Sowohl der betreffende Vertreter wie auch jeder Arzt, der unseriöse Angebote nutzt. Doch ist das noch lange kein Grund, ganze Branchen und Berufsstände zu verurteilen bzw. in den Schmutz zu ziehen. Andere bekannte Beispiele für das Auftauchen schwarzer Schafe sind Versucherungsvertreter oder Call-Center die im Auftrag Kunden werben sollen. Deswegen sind noch lange nicht alle Verbrecher.

Zudem ist das nicht das Kernproblem unseres Gesundheitssystems.


Und vergiss nicht. In den Medien wird in der Regel nur über die schwarzen Schafe bereichtet. Berichte über ehrliche Vertreter und Ärzte sind nun mal keine Quoten-Magnete. Unsere Senstionslust giert nach dem Bösen im Menschen. Auch das ist ein Markt.

> Und Deine Argumente gegen die Positivliste klingen wie aus der
> Presseerklärung der Pharmaunternehmer, weil die Angst haben, dass
> ihre Rekordgewinne in Gefahr sind.

Erstaunlicherweise hat gerade die Pharmaindustrie gar nicht so arg gegen die Positivliste argumentiert. Warum wohl? Weil sie deren Gewinn nicht in Gefahr gebracht hätte. Da ging es vornehmlich um Wirksamkeit, nicht um Preise.

Mit der nun geltenden Regelung schauts schon anders aus. Da gabs im Vorfeld lautes Gepolter von "der" Pharmaindustrie. Aus gutem Grund. Da nun Generika-Hersteller deswegen massiv ihre Preise senken (um bis zu 30%), werden auch die, denen Dein Unmut nicht ganz zu Unrecht gilt, über kurz oder lang mit ihren Preisen für Medikamente deren Patente abgelaufen sind nachziehen müssen. Andernfalls würde z. B. Bayer keine Packung "Aspirin" mehr verkaufen können. Okay, das wird ohnehin nicht von der Kasse bezahlt. Dennoch ist es eines ihrer "Renner" auf dem Markt. Solche "Renner" mit abgelaufenen Patenten haben sie auch im Bereich verschreibungspflichtiger Medikamente (zahlt die Kasse). Was glaubst Du also, werden sie tun? Nur noch von den Sachen leben, auf die noch Patente liegen oder von neuen Medikamenten. Das wird nicht reichen.

> Die Tatsache, dass man eigentlich zum Arzt gehen sollte mit der
> Frage "welche Krankheit ist noch frei? ;) " ist schon schlimm.

Du übertreibst mal wieder.

> Aber was wäre das richtige System?

Gute Frage. Zunächst sollte mal die Finanzierung wieder auf kräftigere Beine gestellt werden. Leider findet die Idee der reinen Steuerfinanzierung hierzulande momentan keine Mehrheiten. Obwohl Dänemark uns eindrucksvoll vormacht, wie gut das funktioniert. Zudem würde das zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Lohnzusatzkosten und die Abgaben vom Bruttlohn würden sinken.

Doch entweder scheut man sich, die MWST entsprechend anzuheben (das wäre nötig) oder man hat Angst davor, für die Grundsicherung endlich mal alle in eine Versicherungsform zu packen (gesetzlich). Soll ja keiner die privaten Versicherer abschaffen. Die wären dann halt Ansprechpartner für freiwillige Höherversicherung. Wer das will und bezahlen kann, solls machen. Wer es nicht will oder nicht bezahlen kann, müsste sich dann aber auch nicht mehr sorgen, bei Arbeitslosigkeit ggf. gänzlich unversichtert dazustehen, weil der Cashflow an die Versicherung nicht mehr direkt vom Faktor Arbeit abhängig wäre.

> Über die letzten 20 Jahre haben zu viele Leute zu oft in die
> Schatulle gegriffen und dann darf man sich nicht wundern, dass die
> Politik irgendwann die Notbremse zieht.

Du wirst lachen. Das Hauptproblem ist eigentlich, dass Deutsche zu häufig zum Arzt gehen. In keinem anderen Eu-Land ist die statistische pro Kopf Anzahl von jährlichen Arztbesuchen so hoch wie hier. Und das leider nicht für "kostenlose" Vorsorgeuntersuchungen. Sondern häufig für "Alltagswehwehchen". Wofür dann gern auch eine Ärztetour gemacht wird, bis einer gefunden ist, der auch wirklich was "Ordentliches" verschreibt. (Kaum irgendwo gibt es so viele niegergelassene Ärzt wie hier.) Das klingt böse polemisch ist aber leider so. "Verschreibungswut" liegt nicht allein an den Ärzten. Die meiten davon bedienen eigentlich nur die "Bedürfnisse" ihrer Patienten. Natürlich, damit die wiederkommen. Denn die Patienten sind ihre Kunden. Und guter Service ist, wenn der Kunde wiederkommt.

Im übrigen sind Transportkosten der dickste Batzen in den Gesundheitskosten. Daran wird sich kaum was ändern lassen. Notfalleinsätze, auch mit Hubschrauber, müssen nun mal sein.

> Und es ist nun mal eine Tatsache das vielfach Medikamente
> verschrieben werden, deren Wirksamkeit nicht unumstritten ist.

Es kommt immer drauf an, wer über die Wirksamkeit streitet. Politiker sollten das nicht tun. Wenn ein Medikament 10 von 100 hilft, dann sollten nicht 10 ohne Hilfe bleiben, nur weil 90 nicht darauf ansprechen. Dabei immer im Hinterkopf behalten, dass man schnell selbst einer von den 10 sein könnte.

> Wie paradox diese Situation auf dem Markt ist, zeigt die Sache,
> dass den Ärzten eine Zeit lang geraten wurde, aus Protest gegen die
> Änderungen des Gesundheitssystems nur das "medizinisch Notwendige"
> zu verschreiben.

Das war eine Initiative der kassenärztlichen Vereinigung. Daran haben sich nicht viele gehalten. Was nicht bedeuten muss, dass überwiegend "Überflüssiges" verschrieben wird. Wie gesagt. Es kommt auf die Definiton von "medizinisch notwendig" an. Ein krasses Beispiel: Auch ein Palcebo kann medizinisch notwendig sein. So abwegig das erst mal klingen mag. Kommt auf den Einzelfall an.

Übrigens zahlen die Kassen nicht direkt an die behandelnden Ärzte, wie viele meinen, sondern an eben diese kassenärztliche Vereinigung, die dann die Gelder an die Ärzte verteilt. Dein Arzt bekommt auch nicht mehr für jeden Deiner Besuche bei ihm ein Honorar. Er bekommt pro Quartal eine bestimmte Summe (das Budget). Mehr nicht. Egal, ob Du in nur ein Mal oder gleich 10 Mal im Quartal konsultierst. Egal, ob er Dir 1, 2, 5 oder 20 Rezepte ausstellt.

Das ist ein Problem. Denn weiterhin verusacht ihm jeder Deiner Besuch Kosten. Die Zeit seine Sprechstundenhilfen und seine Zeit sind nun mal Geld. Wenn da einer unnötig zu oft auftaucht, kann das dazu führen, dass für einen anderen zum Ende des Quartals kein Geld mehr im Budget ist. Dann darf der Artz sich entscheiden. Wegschicken oder aus eigener Tasche bezahlen.

Wärst Du gerne Kassen-Arzt in Deutschland? Macht vielleicht genau dieses System nicht viel eher "Laune" für weniger legalen "Hinzuverdienst"?

> Wie sagte Volker Pispers so schön:
> "Was verschreiben die Kittelträger denn sonst?
> Das beliebte Medikament Schadnix?

> Sie unterscheiden also zwischen medizinisch sinnvoll und notwendig.

> Und mir scheint, medizinisch sinnvoll ist alles, was nicht zum Tode
> führt, aber abgerechnet werden kann." :D

Herr Pispers sagt das im Grunde auch nur, weil er damit Geld verdient. Da liegt der Zwang zur maximalen "Bissigkeit" offen auf der Hand. Leider gelingt ihm des nie richtig überzeugend. Eine Spur zu platt.

Und was lässt sich Herr Pispers so verschreiben? Okay, der ist wahrscheinlich privat versichert. Allerdings bestimmen auch da die Gesamtkosten letztlich die Höhe der Beiträge.

Stammtischsprüche sind noch keine Satire. Das können die wenigsten wirklich gut. Wilfried Schmickler ist einer, der es aus dem FF kann. Pispers ist dagegen ein Dilletant, der angepasst nur die Meinung des "Volkes" wiedergibt. Und das nicht mal besonders originell. Sichert aber das Einkommen, weil man kaum daneben liegen kann.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

30.09.2006, 07:58 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
>> Übrigens zahlen die Kassen nicht direkt an die behandelnden Ärzte

Richtig.

>> Das Hauptproblem ist eigentlich, dass Deutsche zu
>> häufig zum Arzt gehen.

Nö, das ist keineswegs das Hauptproblem. Das wird erst durch Budgetdeckelung zum Problem. Gäbe es diese nicht, dann müsste man eben auch mehr dafür bezahlen (das "mehr bezahlen" durchaus Einfluss auf die Anzahl der Arztbesuche hat, zeigt ja sogar die Praxisgebühr). Da aber nicht jeder überflüssigerweise zum Arzt geht, aber jeder das "mehr bezahlen" über die Beiträge mittragen müsste, ist eine Praxisgebühr durchaus eine nicht so ungeeignete Maßnahme, um dies zu verhindern. Vielleicht wäre es sogar zweckmäßig, für jeden Arztbesuch eine Praxisgebühr zu erheben. Im Gegenzug müsste natürlich der Beitrag gesenkt werden, so dass ein gewissenhafter Patient unter dem Strich nicht schlechter darsteht (eine Härtefallregelung für die Geringverdiener müsste natürlich ebenfalls gefunden werden). Dank der Deckelung des Budgets kann aber jeder so oft er will zum Arzt laufen, ohne mehr zahlen zu müssen.

>> Er bekommt pro Quartal eine bestimmte Summe (das Budget).
>> Mehr nicht. Egal, ob Du in nur ein Mal oder gleich 10 Mal
>> im Quartal konsultierst. Egal, ob er Dir 1, 2, 5 oder 20
>> Rezepte ausstellt.

Das ist allerdings vollkommen falsch.

>> Wenn da einer unnötig zu oft auftaucht, kann das dazu
>> führen, dass für einen anderen zum Ende des Quartals kein
>> Geld mehr im Budget ist. Dann darf der Artz sich
>> entscheiden. Wegschicken oder aus eigener Tasche bezahlen.

Nein, die Abrechnung für Ärzte läuft anders ab:
Ärzte bekommen pro Behandlung einen gewissen Punktwert. Die Kosten für _alle_ Ärzte (eines Gebietes) sind Budgetiert. Dieses Budget wird dann anhand der Punktwerte an die Ärzte ausgeschüttet. Für einen einzelnen Arzt ergibt sich also das Einkommen (vereinfacht) als "'Budget' dividiert durch 'Summe aller Punkte aller Ärzte' multipliziert mit 'eigener Punktwert'". Gerade diese Budgetierung ist aber das Problem, denn Ärzte haben damit einen Anreiz, Behandlungen (unnötig) auszudehnen und dürften sich über "Hypochonder", die wegen jeder Kleinigkeit kommen sehr freuen. Ein weiteres Effizienzproblem unseres Gesundheitswesens. Das Budget für einen Arzt geht also nicht zu Ende. Das Problem an der Sache ist, dass dadurch der Wert pro Punkt weiter sinkt und die Ärzte zur Einkommensmaximierung die Behandlungen weiter ausdehnen müssen. Um also weiterhin optimale Behandlungsqualität zu gewährleitsten müssten wir dieser Regulierungsspirale noch eine "Qualitätsregulierung" hinzufügen.
Abrechnung im Gesundheitswesen

Tja, und mit dem "GKV-Modernisierungsgesetz" (siehe Link) wird ein weiterer Schritt in die IMHO falsche Richtung gemacht, indem man nun auch die Punktwerte reguliert,... In meinen Augen wäre es zweckmäßiger, die Budgetierung aufzuheben und durch mehr Wettbewerb unter den Ärzten die Preise "herunterzukonkurrieren".

Naja, und wie heißt es unter dem Link:
"Für Patientinnen und Patienten ist das Behandlungs- und Abrechnungsgeschehen nicht besonders transparent. Dies kann dazu führen, dass ärztliche Leistungen relativ unkritisch und wenig kostensensibel in Anspruch genommen werden."

Auch ganz lustig, denn nehmen wir doch mal an, das Behandlungs- und Abrechnungsgeschehen wäre vollkommen transparent, dann würde den Patienten ja schließlich immernoch die Kompetenz fehlen, um zu beurteilen, ob der Arzt richtig gehandelt hat (es sei denn, man ist selbst Arzt). Ich jedenfalls kann nicht beurteilen, ob eine Krankheit nicht vielleicht auch von ganz alleine weg gegangen wäre, oder ob die Behandlungszeit mit einer anderen Methode nicht drastisch zu verkürzen wäre oder ob der Arzt einen sonstigen Fehler gemacht hat... Diese Informationsasymmetrie lässt sich auch durch noch so transparente Abrechnungen nicht bewältigen.

Ciao,
Andreas.





[ Dieser Beitrag wurde von Andreas_B am 30.09.2006 um 08:17 Uhr geändert. ]

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

30.09.2006, 23:52 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

> Nö, das ist keineswegs das Hauptproblem. Das wird erst durch
> Budgetdeckelung zum Problem. Gäbe es diese nicht, dann müsste man
> eben auch mehr dafür bezahlen (das "mehr bezahlen" durchaus
> Einfluss auf die Anzahl der Arztbesuche hat, zeigt ja sogar die
> Praxisgebühr). Da aber nicht jeder überflüssigerweise zum Arzt
> geht, aber jeder das "mehr bezahlen" über die Beiträge mittragen
> müsste, ist eine Praxisgebühr durchaus eine nicht so ungeeignete
> Maßnahme, um dies zu verhindern.

Gut gebrüllt. Und jetzt? 50 EUR Praxisgebühr als Lösung der Probleme? Dumm nur, dass sich das nicht jeder leisten kann. Ist ja schön, wenn "komfortabel" Verdienende dadurch seltener zum Arzt gehen. Wenn Geringverdiener oder ALG-II-Bezieher dadurch auch krank dem Azrt fernbleiben müssen, wirds am Ende nur noch teurer (Folgekosten).

Eine nach Einkommen gestaffelte Praxisgebühr? Na danke. Was ich verdiene geht keinen Arzt was an.

Soll doch jeder Gesunde zum Doc laufen, Haupsache er zahlt dafür, kann auch keine Lösung sein. Seit wann bist Du denn dafür, die Cause auf dem Buckel der Bevölkerung auszutragen?

> Nein, die Abrechnung für Ärzte läuft anders ab:
> Ärzte bekommen pro Behandlung einen gewissen Punktwert. Die Kosten
> für _alle_ Ärzte (eines Gebietes) sind Budgetiert. Dieses Budget
> wird dann anhand der Punktwerte an die Ärzte ausgeschüttet. Für
> einen einzelnen Arzt ergibt sich also das Einkommen (vereinfacht)
> als "'Budget' dividiert durch 'Summe aller Punkte aller Ärzte'
> multipliziert mit 'eigener Punktwert'".

Der springende Punkt ist, der Topf ist gedeckelt. Das da ist nichts weiter als die politisch korrekte Beschreibung für: "Es gibt ein begrenzstes Budget, das sich nicht nach dem aktuellen Bedarf richtet, sich nicht mal um Jahreszeiten, Grippewellen, chronisch Kranke oder sonstiges schert".

Ob der Topf nun durch die Patienten von Dr. A oder Dr. B eher leer ist, spielt nun wirklich keine Hauptrolle. Wenn der Topf leer ist, bekommen Dr. A und Dr. B keinen Cent mehr, egal ob ich dann noch 1 Mal oder 5 Mal da auftauche.

Und richtig: Das ist ein Problem. Die Budgets sind gern kürzer als Quartale. Wessen Problem ist das? Überwiegend das der niedergelassenen Ärzte. Die werden damit ziemlich allein gelassen. Sie haben die Wahl zwischen selbst draufzahlen oder unterlassene Hilfeleistung.

Falsch ist allerdings: Das ist nicht das Kernproblem unseres Gesundheitssystems. Das sind die ausufernden Kosten.

Dass die Budgettierung einen kläglichen Versuch darstellt, die Kosten unter Kontrolle zu bringen, ist ein anderes Thema. Die Kosten sinken dadurch jedenfalls nicht. Man holt sich das Geld nur aus anderen Taschen, den Taschen der Ärzte. Und die haben verständlicherweise keinen Bock mehr darauf. Stell Dir mal vor, Du müsstes z. B. jedes Quartal eine Woche umsonst abreiten und zusätzlich noch Betriebskosten selbst übernehmen, ganz abgesehen von dem ganzen Verwaltungskram, mit dem mehr Zeit drauf geht, als mit den Patienten selbst.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

01.10.2006, 08:46 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
>> Wenn der Topf leer ist, bekommen Dr. A und Dr. B keinen Cent mehr

Nein, eben nicht! Die Ärzte bekommen dann weniger pro Punkt (also weniger pro Behandlung)! Um das Einkommen zu maximieren muss der Arzt also _gerade_ dafür sorgen, dass der Patient noch 5x auftaucht. Daher:
Einkommen = ('Budget' / 'Summe aller Punkte aller Ärzte') *
multipliziert mit 'eigener Punktwert'"

Ciao,
Andreas.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

02.10.2006, 21:44 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

> Die Ärzte bekommen dann weniger pro Punkt (also weniger pro Behandlung)!

Wo ist da der große Unterschied? Was Ärzte von den gesetzlichen Kassen pro Behandlung/Beratung bekommen, deckt ohnehin schon kaum deren Kosten.

> Um das Einkommen zu maximieren muss der Arzt also _gerade_ dafür
> sorgen, dass der Patient noch 5x auftaucht.

Entschuldige, das ist Unsinn. Siehe oben. Wenn eine kaum kostendeckende Bezahlung auch noch reduziert wird, kann man auch in Akkord-Arbeit das Einkommen nicht maximieren. Eher noch läuft man Gefahr, noch wesentlich schneller in die Verlustzone zu geraten.

Wenn das Budget aufgebraucht ist, arbeiten Ärzte quasi ohne Bezahlung. Gefällt Dir das besser? Ändert am Problem nur leider gar nichts.


[ Dieser Beitrag wurde von Maja am 02.10.2006 um 21:45 Uhr geändert. ]

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

02.10.2006, 22:18 Uhr

Kronos
Posts: 1168
Nutzer
@Maja:

Du denkst zu ehrlich .....


Wenn der Doc für eine echte Behandlung nicht genug Geld bekommt, dann muss er eben mehr Pseudo-Behandlungen machen ("einmal husten ..... gelber Schein .... 3x täglich Aspirin .... NÄCHSTER").

Bei dem jetzigen System gibt es bei zuvielen Behandlungen 2 Folgen:

Ärzte wie oben bekommen zwar pro Behandlung weniger, aber insgesamt mehr.

Der Landarzt der noch Hausbesuche macht (und damit vielleicht so macnche Einweisung ins Altersheim verhindert) bekommt immer weniger.


Natürlich sind das extreme Beispeiele, nur sobald ein System Missbrauch zulässt wird sich auch jemand finden der es auch missbraucht.

MfG
Kronos
--
Only the good die young all the evil seem to live forever

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

02.10.2006, 22:28 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Kronos:

> Du denkst zu ehrlich .....

Hehe, das kanns natürlich auch sein. Hast Du nett gesagt. Danke.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

02.10.2006, 22:49 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
>> Entschuldige, das ist Unsinn.

Das ist kein Unsinn. Du verstehst aber scheinbar nicht das Verteilungssystem.

>> kann man auch in Akkord-Arbeit das Einkommen nicht maximieren.

Argl, doch ganz genau ist der Fall!

>> Wenn das Budget aufgebraucht ist, arbeiten Ärzte
>> quasi ohne Bezahlung.

Das Budget wird aber nicht aufgebraucht, sondern immer komplett verteilt.

>> Gefällt Dir das besser?

Nein, denn Du hast das System noch nicht verstanden. Ich werde aber gerne mal zur Erläuterung ein konkretes Zahlenspiel veranstalten :)

Nehmen wir also mal an, es gibt überhaupt nur zwei Ärzte (A und B) und es gibt ein Budget, was am Monatsende ausgeschüttet wird und 1000 Geldeinheiten beträgt. Weiterhin nehmen wir an, jede Behandlung "bringt" 100 Punkte.

Ausgangspunkt: Beide Ärzte führen 5 Behandlungen an jeweils 5 unterschiedlichen Patienten durch.
Folge: beide Ärzte bekommen jeweils 500 Punkte. 1000 Geldeinheiten werden nun nach Punkten verteilt:
A bekommt: 1000/(500+500)*500 = 500
B bekommt: 1000/(500+500)*500 = 500

Beide Ärzte bekommen also jeweils 500.

Jetzt passiert folgendes: Arzt A reicht dieses Einkommen nicht (einen Grund kannst Du Dir aussuchen :) Das können entweder egoistische sein oder natürlich auch ganz einfach praktische zur Existenzsicherung) und er dehnt die Behandlung von 2 Patienten aus und zwar so, dass er nun 7 Behandlungen hat und B bleibt bei 5 Behandlungen.
Folge: Arzt A hat 700 Punkte und Arzt B hat 500 Punkte. Daher lautet die neue Verteilung:
A bekommt: 1000/(500+700)*700 = 583,33
B bekommt: 1000/(500+700)*500 = 416,67
Das Budget wird aber keinesfalls _vorher_ "aufgebraucht" - genau das ist Dein Denkfehler in diesem Fall.

Arzt A hat sich also durch ungerechtfertigte Behandlungen auf Kosten von B bereichert. Nun dehnt B ebenfalls die Behandlungen aus und hat 8 Behandlungen.
Folge:
A bekommt: 1000/(700+800)*700 = 466,66
B bekommt: 1000/(700+800)*800 = 533,34

Nun hat sich B durch Ausdehnung der Behandlungen auf Kosten von A bereichert.

Fazit: Es wird deutlich, dass Ärzte einen Anreiz haben, Behandlungen auszudehnen und das es geradezu ein Segen für einen Arzt ist, wenn ein Patient dauernd zu ihm kommt (selbst wenn es grundlos ist). Das Problem dabei ist nur, dass die Qualität der Behandlung dadurch schlechter wird. Also müsste man nun ebenfalls die Qualität regulieren und schwupp befinden wir uns in der Regulierungsspirale.

Kronos hat es ja mit dem Satz "Du denkst zu ehrlich ....." bereits auf den Punkt gebracht. Das was ich hier beschreibe ist schließlich keine Fiktion, das sind nachgewiesene Effekte. Ich hoffe, ich konnte die Problematik etwas verdeutlichen?

Ciao,
Andreas.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 00:21 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

Hast Recht. Ich hatte ein Brett (die Deckelung) vor dem Kopf, hab zu unfelxibel (oder auch zu ehrlich) gedacht. Danke fürs beharrliche Bohren. :D

> Fazit: Es wird deutlich, dass Ärzte einen Anreiz haben,
> Behandlungen auszudehnen und das es geradezu ein Segen für einen
> Arzt ist, wenn ein Patient dauernd zu ihm kommt (selbst wenn es
> grundlos ist). Das Problem dabei ist nur, dass die Qualität der
> Behandlung dadurch schlechter wird.

Das kann der Politik egal sein. Sie haben den Spareffekt für die Öffentlichkeit.

> Also müsste man nun ebenfalls die Qualität regulieren und schwupp
> befinden wir uns in der Regulierungsspirale.

Vorsicht. Bringt man das so vor dem Hintergrund ausgedehnter Behandlungen und grundloser Arztbesuche vor, endet das höchstens in einer Regulierung der Quantität. Ein paar haben schon laut darüber nachgedacht, es würde in Deutschland sowieso zu viele Ärzte geben.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 07:32 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
>> Danke fürs beharrliche Bohren

Keine Ursache :)

>> Das kann der Politik egal sein.

Ja, das ist das Problem :(

>> Vorsicht. Bringt man das so vor dem Hintergrund
>> ausgedehnter Behandlungen und grundloser Arztbesuche vor,
>> endet das höchstens in einer Regulierung der Quantität.

Da hast Du (leider) recht. Leider passiert genau das (Regulierung der Quantität) im Prinzip (siehe obigen Link) und damit wird ein ohnehin schon nicht optimales System weiter verschlechtert,...
Einer der Gründe, warum diese lächerliche Gesundheitsreform eben kein Schritt in die richtige, sondern ein weiterer in die Falsche Richtung ist.

Ciao,
Andreas.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 17:48 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

Dumm ist halt, dass die Qualität der Versorgung (IMHO) kein Problem der Art der Finanzierung ist. Egal woher das Geld kommt, die Kosten müssen mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand kontrollierbar sein/bleiben. Das ist (IMHO) das eigentliche Dillema. Wie machen?

Weitere Reduzierung des Leistungskataloges?
Geht nicht. Wir sind bereits bei der Grundversorgung. Noch weniger würde nur zu Lasten von chronisch Kranken und Schwersterkrankten gehen.

Jeden Artz ständig kontrollieren, sprich Kostenübernahme nur nachdem sichergestellt wurde, dass die Behandlung auch wirklich notwendig war?
Das würde bedeuten, jeden Patienten jedesmal zu einem Vertrauensarzt schicken und jeden Einzelfall immer wieder neu beurteilen zu müssen. Der Verwaltungsaufwand dafür würde die möglichen Einsparungen wahrscheinlich auffressen, wenn nicht sogar überholen.

BTW: In den Niederlanden wird so ähnlich verfahren. Wer sich nicht arbeitsfähig fühlt, geht zu seinem Hausarzt. Der Hausartz kann Medikamente vordnen, darf aber keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen austellen. Der Patient muss dann Kontakt zum medizinischen Dienst aufnehmen. Bekommt dort einen Termin und muss (meist innerhalb von 3 Tagen) bei einem autorisierten Arzt vorstellig werden (das, was wir Vertrauensarzt nennen). Der entscheidet über arbeitsunfähig oder nicht.
Defakto werden also für jede Behandlung gleich zwei Ärzte bezahlt. Ob das nun so sparsam ist, wage ich zu bezeifeln. Das niederländische Gesundheitssystem hat die gleichen Probleme wie unseres. Verlangt den Versicherten inzwischen weit höhere Eigenleistung ab, als das unsere.

Veränderte Rechnungslegung; Patienten erhalten die Arztrechnung und müssen sich um die Kostenerstattung selbst kümmern?
Würde wahrscheinlich für mehr Kostenbewusstsein bei Patienten sorgen. Würde vielleicht dazu führen, dass nur zum Arzt geht, wer wirklich krank ist, weil selbst Einfordern müssen mit zusätzlichem Aufwand, mit dem Ausfüllen von Formularen, Lauferrei und anderer Unbill in Verbindung steht.
Vergessen darf man dabei aber nicht, dass auch vermeindlich harmloses Unwohlsein die Folge ernsthafter, wenn auch noch nicht akuter Erkrankungen sein kann. Wer sich ständig abgeschlagen, müde und antriebslos fühlt, sollte den Gang zum Arzt nicht scheuen, um sich nicht als lästigen Kostenfaktor fühlen zu müssen. Denn ist tatsächlich etwas ernsthaftes der Hintergrund, mündet das Fernbleiben aus der Praxis u.U. nicht in einer Kostenersparnis, sondern in vielfach höheren Folgekosten.
Okay, das vielleicht nicht morgen und nicht nächstes Jahr. Aber vielleicht in ein paar Jahren. Eine Reform die 5 Jahre Erfolge bringt und dann anfängt erst so richtig Kosten zu verursachen, kann man sich auch schenken.

Ausserdem ginge das im Zweifel nur zu Lasten der Patienten. Denn wer sagt uns, das Ärzte immer nur in Rechnung stellen, was die Kasse auch bezahlt, wenn sich plötzlich alternative Quellen auftun? Gut möglich, dass darüber hinaus berechnet wird was nicht medizinisch notwendig ist und von der Kassse nicht erstattet wird. Auf diesen Kosten bleibe der gv. Patient dann sitzen. Man kann dem Arzt einmal erfolgte Behandlungen nicht zurückgeben. Eine Wandlung des Kaufs ist nicht möglich. Kostenvoranschläge die man vorher prüfen lassen kann auch nicht. Schließlich gehts hierbei nicht um Zahnersatz.

[ Dieser Beitrag wurde von Maja am 03.10.2006 um 17:49 Uhr geändert. ]

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 18:19 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
Nun, ich glaube wir sind jetzt schon nicht mehr weit voneinander entfernt. Ich sehe viele der von Dir angesprochenen Punkte durchaus ähnlich.

>> Dumm ist halt, dass die Qualität der Versorgung (IMHO)
>> kein Problem der Art der Finanzierung ist.

Nun, mit der Informationsasymmetrie zugunsten der Ärzte werden wir wohl leben müssen (wie ja auch in vielen anderen Bereichen: KFZ-Mechaniker, Fernsehtechniker, Vertreter,...), was wir aber sehr wohl verhindern könnten, wäre, den Ärzten auch noch Anreize zu geben, Behandlungen unnötig auszudehnen - was aber durch die Budgetierung de facto passiert.
Ein Gesundheitssystem, was Anreize zur Ineffizienz bietet und uns immer weiter in die Regulierungsspirale drückt kann unmöglich dauerhaft funktionieren. Im Gegenteil, die Versorgung wird stetig schlechter werden

Daher ist es IMHO die richtige Lösung, die Budgetierung generell abzuschaffen und die Kostenprobleme durch mehr Wettbewerb in den Griff zu bekommen (klapt ja in anderen Branchen auch). Damit meine ich aber nicht vollkommen freier Wettbewerb, sondern nur etwas mehr Wettbewerb, denn das Gesundheitswesen lässt sich nicht vollständig mit z.B. dem KFZ-Ersatzteilmarkt und Ähnlichem vergleichen. Eine gewisse Ineffizienz halte ich für unvermeidbar und sehe die auch nicht als so problematisch an.

Es ist ein ganz normales Phänomen, dass mit steigenden Volkseinkommen auch die Gesundheitsausgaben steigen und liegt eben darin begründet, dass Gesundheit ja grundsätzlich für (fast) jeden erstrebenswert ist. Mit steigendem Wohlstand einer Volkswirtschaft wächst das Bedürfnis nach Gesundheit weiter an (man möchte ja auch was von seinem Wohlstand haben). Das ist nicht das große Problem. Problematischer ist IMHO dabei, dass es keine (oder sagen wir besser zu wenige) Anreize gibt, Kosten einzusparen. Beispielsweise haben die Krankenhäuser aufgrund der dualen Finanzierung ebenfalls keine Anreize, Investitionen zu tätigen, die langfristig die Kosten senken können. Genau solche Anreize werden aber benötigt, um langfristig die Kosten zu drücken.

Damit wären dann die Probleme der Ausgabenseite in Angriff genommen. Nun sollten aber _simultan_ auch noch die Probleme auf der Einnahmenseite in Angriff genommen werden. IMHO wäre hier eine Bürgerversicherung nicht die schlechteste Idee.

Unglücklicherweise sehe ich bei aktuellen Konzepten bestenfalls einige halbherzige Ansätze auf der einen oder der anderen Seite, gepaart mit einigen Ansätzen, die genau in die falsche Richtung zielen und unterm Strich mehr Schaden als Nutzen anrichten. Da auf die Idee zu kommen, die Regierung wäre in der Lage, das Problem richtig anzugehen und Simultan nach Lösungen auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite zu suchen ist völlig illusorisch. Ich nehme an, dass sich das Gesundheitssystem weiterhin kontinuierlich verschlechtern wird - traurig, dass das aufgrund hausgemachter Probleme passiert, die IMHO grundsätzlich durchaus lösbar wären.

>> Eine Reform die 5 Jahre Erfolge bringt und dann anfängt
>> erst so richtig Kosten zu verursachen, kann man sich
>> auch schenken.

Tja, da hat sich unsere Regierung etwas besseres ausgedacht: Eine Reform, die keinen Erfolg bringen wird und sofort anfängt, weitere Kosten zu verursachen,...

Ciao,
Andreas.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 19:57 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

Die Grundlage einer Qualitätssicherung durch Wettbewerb in der freien Wirtschaft lässt sich nicht auf den Gesundheits-"Markt" übertragen. Die Faktoren, die dort postive Auswirkungen für Verbrauchr haben, würden sich im Gesundheitswesen ins Gegenteil verkehren. Es schüttelt mich jedesmal, wenn ich Politiker der FDP so argumentieren höre. Die meinen, es müssten nur genug privat Versicherte geben und alle Probleme wären gelöst. Nur leider hat weder die Wahl der Versicherung noch die Wahl des Arztes etwas mit Qualität im Gesundheitswesen zu tun. Die Kasse sucht man sich nach der Beitragshöhe aus, den Arztz danach, wie der die eigenen, subjektiven Bedürfnisse befriedigt. Da wählt sich im Zweifel jeder genau den Arzt, der eben doch die unnötigen Behandlungen macht, weil man sich da "verstanden" und "gut aufgehoben" fühlt. Wie man Ärzte dazu bringen soll, genau das nicht zu tun und so ggf. Patienten (also Kunden) zu verlieren, ist mir schleierhaft.

Mögliche Wege dahin hatte ich bereits beschrieben. Allerdings erscheinen die allesamt nicht Alltagstauglich und würden obendrein ihrerseits wieder Kosten verursachen.

Von einer Bürgerversicherung halte ich nichts mehr. Das würde nur die Beitragszahlerbasis verbreitern, das System selbst aber nicht verändern und an anderen Stellen neue Probleme verursachen. Zudem wird dabei ein ganz entscheidender Faktor vernachlässigt, der zwar mit dem kranken Gesundheitssystem erst mal nichts zu tun, aber dennoch min. ebenso wichtig ist: Die Kostenbelastung der Wirtschaft.

Also, wenn schon die Einnahmeseite reformieren, warum dann nicht gleich richtig? Raus damit aus dem Faktor Arbeit. Ob nun abhängig, selbstständig oder beamtet. Es ist irgendwo nicht einzusehen, warum nur Erwerbstätige perse ein Anrecht auf Leistungen aus einem staatlichen System haben sollen.

Also die Grundversorgung über Verbrauchssteuern finanzieren. Jeder mit ständigem Wohnsitz in D hat automatisch Anspruch auf Leistungen aus dem System. Der ganze Hickhack um Menschen die ihren Job verlieren und dabei Fristen verpasst haben oder um Sozialhilfeempfänger wäre vorbei. Das spart Verwaltungskosten auch an anderen Stellen. Die Wirtschaft würde um Kosten im Milliardenhöhe entlastet. Realeinkommen von Arbeitnehmern würden steigen. Ebenso bei Selbstständigen, weil die dann freiwillige Höherversicherung höchstwahrscheinlich billiger käme, als sich für alles komplett privat versichern zu müssen.

Tja, blieben die niedergelassenen Ärzte. Für Krankenhäuser gibt es Fallpauschalen. Nicht die schlechteste Idee, wie ich finde. Plötzlich muss man für den Blinddarm keine 3 Wochen mehr im Krankenhaus liegen. Plötzlich ist eine Galle mit Sondentechnik auch Ambulant möglich. Warum sollte das nicht auch für niedergelassene Ärzte möglich sein? Bei Komplikationen ist eine Ausweitung der Behandlung jederzeit möglich.

Und dann hätte ich noch gern, dass das Apothekenmonopol abgeschafft wird. Andere Länder beweisen uns seit Jahrzehnten, dass es sehr gut auch ohne geht.

Ein interessante Diskussion. Nur leider werden wir in einem Internetforum die Welt nicht verbessern können. Vielleicht sollte man sich wirklich mal hinsetzen und die Grundzüge eines Konzeptes ausarbeitet, dass man dann dem Bundestag zukommen lässt.

Natürlich ist es unwahrscheinlich, dass dies in zwei Jahren 1:1 mit Begeisterung umgestzt werden würde. Aber vielleicht bliebe ja wenigstens etwas davon hängen. Man könnte das weiderholen. Immer wieder mal machen. Steter Tropfen soll ja sogar Granit höhlen. Man könnte sogar Stützunterschriften sammeln und eine Eingabe beim Pettionsausschuss machen.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 20:32 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
>> Die Grundlage einer Qualitätssicherung durch Wettbewerb in
>> der freien Wirtschaft lässt sich nicht auf den
>> Gesundheits-"Markt" übertragen.

Voll und ganz sicherlich nicht, da gebe ich Dir recht. Aber auch der Gesundheitssektor setzt nicht urplötzlich sämtliche bekannte Gesetze eines Marktes außer Kraft. Sagen wir mal so, eine weitere Strukturelle Annäherung an einen "normalen" Markt halte ich für durchführbar, ohne dass es zu negativen Konsequenzen kommt.

>> Die meinen, es müssten nur genug privat Versicherte geben
>> und alle Probleme wären gelöst.

Hehe, lustig Idee dieser Politiker. Schließlich sind die privaten Versicherungen eines der Probleme des Gesundheitssektors, weil sie den gesetzlichen Versicherungen die guten Risiken entlocken und den gesetzlichen Versicherungen die "lemons" überlassen,...

>> Also, wenn schon die Einnahmeseite reformieren, warum
>> dann nicht gleich richtig?

Ob Dein Vorschlag da richtiger ist? Kann durchaus sein, es gibt letztlich gute Argumente dafür und dagegen (wie bei der Bürgerversicherung natürlich auch), da erlaube ich mir jetzt noch kein endgültiges Urteil. Unstrittig ist aber, dass das aktuelle System nicht mehr lange funktionieren wird, weil die Bedeutung des Faktors Arbeit nunmal rückläufig ist.

>> Und dann hätte ich noch gern, dass das Apothekenmonopol
>> abgeschafft wird.

Tja, je länger man diskutiert, desto mehr Ineffizienzen fallen einem ein,...

>> Nur leider werden wir in einem Internetforum die Welt
>> nicht verbessern können.

Ich habe das ja auch schon Frau Merkel erklärt, aber es gab keinerlei Reaktion darauf (unter der Regierung Schröder gab es darauf übrigens eine Reaktion - nur ein Detail, aber es wirkt IMHO einfach freundlicher).

Ciao,
Andreas.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 20:52 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

Es Frau Merkel zu erkären, wird wenig Sinn haben. Zumindest zu Anfang ihrer Kanzerl(innen)schaft wurde relativ deutlich, dass sie nur unwesentlich anders "gepolt" ist. Leider hat sich im Laufe der Zeit herausgestellt, dass die Blockade durch andere Personen und Kräfte innerhalb der Fraktionen ihr nicht erlauben, in diesem Sinne voanzuschreiten. Sie ist leider, wie jeder der eine Koalition zu "leiten" hat, auf Konsens angewiesen. Wenn die Mehrheit gegen die eigenen Vorschläge ist bedeutet das, dass man sich ggf. bis hin zur Unkenntlichkeit von den eigenen Zielen verabschieden muss, um überhaupt zu einem Ergebnis zu kommen.

Ich bezweifle, dass sie damit glücklich ist. Doch was soll sie machen, wenn nicht mal in ihrer eigenen Fraktion, geschweige denn in der Koalition Einigkeit herrscht? Sie kann mit der Faust auf den Tisch hauen. Allein entscheiden kann sie nicht.

Auch Schröder konnte sich nicht gegen die Eigeninteressen von Ländern und dem Standesdünkel von Parteien durchsetzen.

Na ja, vielleicht würde auf Dauer es helfen, wenn viel mehr Bürger ihre Anliegen direkt an Politiker "im Zentrum der Macht" herantragen würden. Vorausgestzt Volkeswille spielt in den Köpfen der Lenker eine größere Rolle als Parteiraisson und Linentreue. Besonders bei einigen Ministerpräsidenten der Länder erscheint mir das nicht gegeben. Insbesondere Stoiber will offenbar gar keine Einigung für eine Gesundheitsreform. Ganz gleich, was diskutiert wird.

"Wir wollen unsern alten Kaiser Willhelm wiederhaben." ;)

> unter der Regierung Schröder gab es darauf übrigens eine Reaktion -
> nur ein Detail, aber es wirkt IMHO einfach freundlicher

Auf standardisierte Antworten, die u.U. sogar automatsich generiert wurden, kann ich dankend verzichten. Das ist wie die Aushänge im Betrieb, Nachrufe auf Verstrobene Kollegen und Kolleginnen. Da ist immer von der vorbildlichen Haltung und der guten Mitarbeit die Rede. Manchmal stimmt das sogar. Doch meist wissen wir, das der/die Verblichene das genaue Gegenteil von war, was da geschrieben steht. Leere Folskeln halt.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 21:08 Uhr

Kronos
Posts: 1168
Nutzer
@Maja

Krankenkasse über MwSt ??? Brrrrrrr ...... Schon mal nachgedacht wie hoch die dann wäre ? Müssten so um die 30% sein, bzw etwas weniger wenn wir auch die Waren mit 7% mwSt stärker besteuern. Rat mal wer dann ein geringeres Realeinkommen hat .... genau die Geringverdiener....


Auch ein Anspruch nur nach Wohnsitz halt ich auf Dauer für gefährlich (man bedenke die europäische Freizügigkeit).


Alles im allem bist du dann schon sehr nah an der Kopfpauschale der Union, die dann schon mehr Sinn macht (da über Einkommensteuer finanziert).

Letzlich muss (zusätzlich zu Korrekturen auf der Ausgabenseite) dafür Sorge getragen werden das die Lasten gerechter verteilt werden. Ob man das jetzt mit einer Bürgerversicherung oder mot Pauschale+EK-Steuer gemacht wird ist letzlich nur ein ideologischer Grabenkampf.

MfG
Kronos
--
Only the good die young all the evil seem to live forever

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

03.10.2006, 21:33 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Kronos:

Ich behaupte nicht, dass meine Gedanken dazu ein ausgereiftes Konzept für eine Gesetzesvorlage wären.

> Krankenkasse über MwSt ??? Brrrrrrr ...... Schon mal nachgedacht
> wie hoch die dann wäre ? Müssten so um die 30% sein, bzw etwas
> weniger wenn wir auch die Waren mit 7% mwSt stärker besteuern.

Na und? Denk das mal zuende für alle derzeit allein über den Faktor Arbeit finanzierten sozialen Sicherungssysteme, namentlich gesetzliche Krankenversicherung und gesetzliche Rentenversicherung. Wenn Dir dafür nicht mehr jeden Monat Geld von Deinem Lohn abgezogen wird, braucht Dich eine solche Erhöhung der MWST nicht zu jucken.

Das ist nur in eine Tasche rein und zur anderen raus? Richtig. Von was anderem Rede ich nicht. Es geht mir dabei nicht um die Entlastung des Einzelnen. Sondern um die Entlastung des Faktors Arbeit von Kosten fernab jeder Wertschöpfung.

Im übrigen ist ein Anheben des ermäßigten Steuersatzes abzulehnen. Im Gegenteil. Meiner Ansicht nach gehören Handwerk und Deinstleistung auch da hinein. Die sich ergebende Reduzierung von Schwarzarbeit würde eher zu höheren Steuereinnahmen führen. Was jetzt gemacht wird, 19% auf Handwerk und Dienstleistung wird nur mehr Schwarzarbeit und weniger Steuereinnahmen führen. Aber das ist ein anderes Thema.

Ob es wirlich 30% allgemeinen Steuersatz braucht, sei dahingestellt. In anderen Ländern, die bereits so verfahren, reichen 25%. Kommt ganz darauf an, was man damit finanzieren will. Vollkasko oder Teilkasko.

> Rat mal wer dann ein geringeres Realeinkommen hat .... genau die Geringverdiener....

Die jetzt Zuzahlungen in Höhe von 2% ihres Einkommens zu leisten haben. Wer sagt Dir denn, dass das dann noch nötig sein würde? Es geht doch genau darum, die Finanzierung auf sicherere Beine zu stellen, damit dergleichen nicht mehr nötig sein muss. Wenn die Finanzierung noch lange allein von versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen abhängen wird, werden wir bald bei 15, oder gar 17% gkV und 22% gRV gelandet sein. Ob Geringverdeiner davon glücklicher werden bezweifle ich. Die Zuzahlungen werden sicher angehoben, bevor die Beiträge angehoben werden.

Und nenn mir bitte auch mal einen Geringverdiener der allein vom Geringverdienst lebt. Von geringfügiger Beschäftigung allein kann niemand existieren. Zumal in vielen dieser Jobs die Fahrtkosten den Verdienst fast schon wieder auffressen.

Nicht mit unausgeorenen Ängsten gleich wieder totreden.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

04.10.2006, 05:17 Uhr

Kronos
Posts: 1168
Nutzer
"Geringverdiener" != "geringfügige Beschäftigung" ;)

Die Rechnung ist einfach, GKv zahlen nur Arbeitnehmer vom Lohn, eine Versicherung für ALLE über MwSt kommt logischer Weise deutlich teurer, sodas 1% Senkung Lohnnebenkosten mehr als 1% MwSt kostet. Ausser natürlich mann senkt die Kosten (was aber auch im jetzigen System geht).

MwSt ist stark unsozial, ein Finazierung nach Ledistungsfähigkeit (sprich Einkommensteuer) ist da schon einen Schritt besser.


MfG
Kronos
--
Only the good die young all the evil seem to live forever

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

04.10.2006, 10:48 Uhr

Holger
Posts: 8116
Nutzer
Zitat:
Original von Kronos:
MwSt ist stark unsozial, ein Finazierung nach Ledistungsfähigkeit (sprich Einkommensteuer) ist da schon einen Schritt besser.


Ach so?
Ich dachte bisher immer, dass Mehrwertsteuer nur von dem bezahlt werden kann, der auch Geld zum Ausgeben hat.

Aber Einkommenssteuer ist natürlich viel sozialer, da werden die armen Millionäre, die ihr Vermögen geerbt haben, nicht geschröpft, wenn sie die nächste Luxusjacht kaufen...

Nicht zu vergessen, der künftige Gewinner des Lotto-Jackpots (wieviel sind es jetzt, 29 Mio?). Der ärmste soll um Himmels Willen nix abgeben müssen.

Setzen wir also auf die "soziale" Einkommensteuer, weil Einkommen ja auch immer was über die Leistungsfähigkeit eines Menschen aussagt...

mfg
--
Good coders do not comment. What was hard to write should be hard to read too.

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

04.10.2006, 13:30 Uhr

AC-Pseudo
Posts: 1256
Nutzer
Letzten Endes kommt schon eine gewisse Umverteilung dabei heraus:

Die MwSt-Erhöhung alleine bedeutet eine Preiserhöhung um 2,586%. Bei einem Durchschnittshaushalt haben die Wirtschaftswissenschaftler berechnet, daß zwischen 30 und 40% der Ausgaben dadurch belastet werden. (Miete und Lebensmittel beiben als größte Posten unbeeinflußt)

Das bedeutet, daß ein typischer Arbeitnehmerhaushalt unter 1% erhöhte Lebenshaltungskosten hat. Dafür gibts ne Kompensation durch Lohnnebenkosten.

Dahingehend hat der Einkommensmillionär keine Kompensation, dafür eine höhere prozentuale Belastung durch die Mehrwertsteuererhöhung.

Ist somit höchst sozialistisch....

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

04.10.2006, 16:05 Uhr

Holger
Posts: 8116
Nutzer
@AC-Pseudo:
So weit die Theorie....

mfg

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

05.10.2006, 00:33 Uhr

NoImag
Posts: 1050
Nutzer
Ob eine Mehrwerterhöhung unsozial ist, hängt davon ab, was man für unsozial hält.

Jemand, der keine Einkommenssteuer zahlt, wird natürlich mehr belastet, aber so jemand gibt auch fast alles nur für Produkte aus, für die der reduzierte MwSt-Satz gilt. Natürlich kann man es als unsozial ansehen, wenn so ein Geringverdiener sich Produkte, für die der normale Satz gilt, noch seltener leisten kann.

Umgekehrt wird ein Hochverdiener kaum sein gesamtes Einkommen ausgeben, so dass eine Einkommenssteuererhöhung ihn wahrscheinlich stärker treffen würde.

Bei der Beurteilung sollte aber auch nicht vergessen werden, dass es hier ja um eine Abgabenverlagerung (keine Diskussion über das Wort Abgaben bitte) geht. Wenn in Deutschland produzierende Unternehmen weniger Lohnnebenkosten oder geringere Unternehmenssteuern zu zahlen haben, dann können die Produkte günstiger angeboten werden, was die MwSt-Erhöhung kompensieren kann (abhängig vom Produkt). Produkte, die im Ausland hergestellt werden, werden dagegen durch die MwSt-Erhöhung belastet, ohne dass es eine gleichzeitige Entlastung des Produktes bei Lohnnebenkosten/Unternehmenssteuern gibt. Die Herstellung in Deutschland wird dadurch etwas konkurrenzfähiger, was tendenziell gut für hiesige Arbeitnehmer ist. Außerdem werden, wie Maja ja schon angemerkt hat, die Arbeitsplätze nicht mehr besteuert.

Fazit: Eine solche Verlagerung der Abgaben hin zur Mehrwertsteuer ist im Endergebnis sozial.

Tschüß


[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]

05.10.2006, 01:11 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Kronos:

Und ich weiß auch, dass davon allein niemand lebt. Zumindest nicht von einem einzigen dieser "Mini-Jobs".

Mir ist bekannt, dass es meldepflichtig ist, wenn jemand mehr als einen Mini-Job hat. Mir ist aber auch bekannt, das es keinen Richter gibt wo kein Kläger ist. Und die Zentrale gleicht (afaik) die Datensätze meist nicht gegeneinander ab. Da muss schon jemand durch Zufall über zwei Datensätze mit demselben Namen stolpern. Wobei dann wieder die Frage ins Spiel kommt, ob der an entsprechend aktiv wird. Würde ja schießlich einen gewissen Aufwand bedeuten.

Tja, und dann gibt es noch "Mini-Jobs" für die gar keine Abgaben gezahlt werden, weil niemand nicht davon weiß.... :schock2:

> Die Rechnung ist einfach, GKv zahlen nur Arbeitnehmer vom Lohn

Und genau das ist auch das Problem. Da es insgesamt weniger versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gibt, die Zahl der Personen mit Leistungsanspruch jedoch nicht weniger geworden sind, reichen die Beiträge der Arbeitnehmer nicht mehr zur Finanzierung aus.

Dazu tragen auch "Deine" Geringverdiener bei. Es gibt kaum Mini-Jobs über 400 EUR/Mon., weil sich die AG eben genau diese Beiträge sparen wollen. Und so teilen sich vielerorts mehrere geringfügig Beschäftigte den Arbeitsanfall einer Vollzeitstelle. Man kann ja so schön mit "felxiblen Arbeitszeiten" jonglieren.
Sag nicht, das gebe es nicht. Das gibt es. Häufiger als es gut für diese Gesellschaft sein könnte.

> , eine Versicherung für ALLE über MwSt kommt logischer Weise
> deutlich teurer, sodas 1% Senkung Lohnnebenkosten mehr als 1% MwSt
> kostet.

Ich gehe in meinem Beispiel von einem gleichbleibenden ermäßigten Steuersatz in der UST von 7% aus. Es wird wohl kaum jemanden geben, der sein komplettes Einkommen für Güter ausgibt, die mit dem normalen Steuersatz besteuert werden.

Weshalb Deine Rechnung die Logik eines Milchmädchens darstellt. ;)

In Wahrheit wird dafür der geringste Teil des Einkommen ausgegeben. Das kannst Du ganz einfach selbst verifizieren. Führe eine Zeit lang ein Haushaltsbuch. Die Beträge für MWST werden auf Kassenbons i.d.R. ausgewiesen, getrennt in 7 und 16%.

> MwSt ist stark unsozial, ein Finazierung nach Ledistungsfähigkeit
> (sprich Einkommensteuer) ist da schon einen Schritt besser.

Verbrauchssteuern sind mit Abstand die gerechteste Form der Besteuerung. Die einzige Form von Steuern, bei der es jeder weitestgehend selbst in Hand hat, wie viel Steuern er zahlt. Dazu braucht er nicht mal einen Steuerberater.

Das ist weit gerechter als Einkommensteuer, wo u.U. schon ein einziger Euro mehr oder weniger Einkommen für einige Prozent mehr oder weniger Steuern vom Gesamteinkommen entscheidend sein können; sprich, mehrere Tausend Euro mehr oder weniger im Jahr in der Tasche, die auszugeben in Form von MWST ganz sicher mehr Freude bereiten und mehr Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen könnten. EST steigert nicht BIP. Auch nicht die Konjuktur. MWST hingegen schon (im übertragenen Sinn).

[ - Antworten - Zitieren - Direktlink - ]


1 -2- 3 4 5 [ - Beitrag schreiben - ]


amiga-news.de Forum > Get a Life > Der Politik-Thread auf amiga-news.de [ - Suche - Neue Beiträge - Registrieren - Login - ]


.
Impressum | Datenschutzerklärung | Netiquette | Werbung | Kontakt
Copyright © 1998-2024 by amiga-news.de - alle Rechte vorbehalten.
.