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05.10.2006, 01:32 Uhr

Holger
Posts: 8116
Nutzer
Zitat:
Original von Maja:
Das ist weit gerechter als Einkommensteuer, wo u.U. schon ein einziger Euro mehr oder weniger Einkommen für einige Prozent mehr oder weniger Steuern vom Gesamteinkommen entscheidend sein können; sprich, mehrere Tausend Euro mehr oder weniger im Jahr in der Tasche,...


Na ja, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Das Steuersystem funktioniert immer noch so, dass mit einem höheren Bruttoeinkommen auch ein höheres Nettoeinkommen verbunden ist. Also, falls Dein Arbeitgeber das nächste Mal fragt, ob Du eine Lohnerhöhung willst, brauchst Du nicht lange zu überlegen. :D

mfg
--
Good coders do not comment. What was hard to write should be hard to read too.

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05.10.2006, 02:19 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@NoImag:

Ich hätte mir vor meiner Antwort auf Kronos Deinen Beitrag durchlesen sollen. Das hätte mir einiges an Tipparbeit erspart. :)

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05.10.2006, 02:48 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Holger:

Damit hast Du natürlich Recht. Ich hatte das bewusst so überzeichnet, damit der Unterschied deutlich wird.

Allerdings: Es ist schon erstaunlich, was z. B. von (nicht gesondert versteuerten) Sonderzahlungen im Netto nur noch übrig bleibt. Gut, die zu viel gezahlte Steuer bekommt man später wieder zurück. Aber da wird einem überdeutlich, dass sich Leistung in diesem Land eben nicht lohnt, sondern bestraft wird.

> Also, falls Dein Arbeitgeber das nächste Mal fragt, ob Du eine
> Lohnerhöhung willst, brauchst Du nicht lange zu überlegen. :D

Ich habe mal spaßeshalber ausgerechnet, wie viel ich weniger verdienen könnte, ohne dass sich am Netto schmerzhaft was verändern würde. Ich kann ihn ja mal fragen, ob er mir weniger bezahlen will. :lach:

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05.10.2006, 05:36 Uhr

Kronos
Posts: 1168
Nutzer
@Maja:
Möcht mal wissen was du immer mit den Mini-Jobs willst ....


"Geringverdiener" sind für mich Leute wie die Familie die ihr mal anderswo thematisiert habt (1500 + Kindergeld).

Natürlich hat MwSt auch eine gewissen soziale Komponente und wirkt sich positiv auf das Konkurenzverhältnis D/rest_der_Welt aus (hmm nur sind wir nicht schon jetzt mit einen riesen Export-Überschuss "gesegnet" ?).


Nur lässt die EK-Steuer viel mehr sozialen Spielraum.



@Holger
Ach ja die (fehlende) Vermögenssteuer ist noch ein ganz anderes Thema und ein schönes Beispiel wie man die Politik ihre eigenen Unfähigkeit dem Verfassungsgreicht in die Schuhe schieben kann.


MfG
Kronos
--
Only the good die young all the evil seem to live forever

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05.10.2006, 12:15 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@NoImag:
>> Fazit: Eine solche Verlagerung der Abgaben hin zur
>> Mehrwertsteuer ist im Endergebnis sozial.

Aber nur, wenn das auch alles wirklich eintritt, was man sich da vorstellt. Des weiteren gibt es auch eine Menge negative Effekte, die auftreten werden. Die Frage ist nur, ob die positiven Effekte die negativen Effekte tatsächlich überkompensieren? Ich habe da ehrlichgesagt Zweifel.
Vor allem deshalb, weil der negative Einfluss ausländischer Produkte auf den deutschen Binnenmarkt in aller Regel maßlos überschätzt wird. Die Importe machen nur einen winzigen Bruchteil des BIP aus und sie werden durch die Exporte bereits deutlich überkompensiert. Die ach so bösen "Billigimporte" haben tatsächlich nur sehr geringen Einfluss auf unsere Wirtschaft, aber sie eigenen sich ganz hervorragend dazu, um von anderen Problemen abzulenken (gerade diese Billigimporte sind eine gern angebrachtes Argument der Globalisierungsgegner, was aber nichts daran ändert, dass es ein haltloses Argument ist).

Ciao,
Andreas.

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05.10.2006, 15:53 Uhr

NoImag
Posts: 1050
Nutzer
Zitat:
Original von Kronos:
Natürlich hat MwSt auch eine gewissen soziale Komponente und wirkt sich positiv auf das Konkurenzverhältnis D/rest_der_Welt aus (hmm nur sind wir nicht schon jetzt mit einen riesen Export-Überschuss "gesegnet" ?).


Bei dieser Umschichtung geht es nicht darum, die Exporte zu stärken, sondern darum, die Binnenkonjunktur zu stärken. Der deutsche Konsument hat einen größeren Anreiz in Deutschland produzierte Produkte zu kaufen. Für jemanden, der seine Produkte auf dem deutschen Markt verkaufen will, ist es attraktiver (als vorher), diese Produkte auch in Deutschland herzustellen.

Noch wichtiger ist aber, dass die Finanzierung unseres Sozialsystems auf breitere Füße gestellt wird. Bisher wird es ausschließlich von den Einkommen aus abhängiger Beschäftigung bis zu einer Einkommensobergrenze finanziert. Der Anteil dieses Einkommens am Volkseinkommen nimmt immer mehr ab. Dies kann nicht gut gehen. Das bisherige System bedeutet, dass nur dann Geld aus Deinem Konsum in unserem Sozialsystem landet (denn der Konsument bezahlt letztlich die Sozialbeiträge), wenn Du in Deutschland hergestellte Produkte kaufst. Wenn Du ein im Ausland hergestelltes Produkt kaufst, dann geht kein Cent von Dir in unser Sozialsystem. Bei der Umstellung auf die MwSt ändert sich dies. Das wäre so, als ob die chinesischen Firmen in unser Sozialsystem einzahlen würden.

Zitat:
Nur lässt die EK-Steuer viel mehr sozialen Spielraum.

Das scheint auf den ersten Blick so zu sein, aber stimmt das auch? Nur Einkommen, die nach unseren Gesetzen als Einkommen gezählt werden, werden auch besteuert. Aber ist das auch tatsächlich das wirkliche Einkommen? Ein Beispiel sind hier Wertsteigerungen von Aktien. Außerdem zählt natürlich nur Einkommen, das auch in Deutschland versteuert wird. Gerade Hochverdiener haben hier Möglichkeiten, die der Mehrheit verschlossen sind. Die MwSt zahlt jedoch jeder.

Außerdem fehlen die oben beschriebenen positiven Effekte der Mehrwertsteuer.

Ich halte jedoch eine Mischung aus Mehrwert- und Einkommenssteuererhöhung für den richtigen Weg.

Zitat:
Ach ja die (fehlende) Vermögenssteuer ist noch ein ganz anderes Thema und ein schönes Beispiel wie man die Politik ihre eigenen Unfähigkeit dem Verfassungsgreicht in die Schuhe schieben kann.

Mit der Vermögenssteuer ist das so eine Sache. Ich kann es absolut nicht leiden, dass mir jemand an das Geld will, das ich mir von meinem versteuerten Einkommen vom Munde abgespart habe, während er selbst das Geld immer verprasst hat. Viel sinnvoller wäre es, Lottogewinne zu versteuern und bei Schenkungen und Erbschaften stärker zuzulangen.

Tschüß


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05.10.2006, 15:57 Uhr

NoImag
Posts: 1050
Nutzer
Zitat:
Original von Andreas_B:
Aber nur, wenn das auch alles wirklich eintritt, was man sich da vorstellt. Des weiteren gibt es auch eine Menge negative Effekte, die auftreten werden. Die Frage ist nur, ob die positiven Effekte die negativen Effekte tatsächlich überkompensieren? Ich habe da ehrlichgesagt Zweifel.


An welche negativen Effekte denkst Du dabei?

Zitat:
Vor allem deshalb, weil der negative Einfluss ausländischer Produkte auf den deutschen Binnenmarkt in aller Regel maßlos überschätzt wird. Die Importe machen nur einen winzigen Bruchteil des BIP aus und sie werden durch die Exporte bereits deutlich überkompensiert. Die ach so bösen "Billigimporte" haben tatsächlich nur sehr geringen Einfluss auf unsere Wirtschaft, aber sie eigenen sich ganz hervorragend dazu, um von anderen Problemen abzulenken (gerade diese Billigimporte sind eine gern angebrachtes Argument der Globalisierungsgegner, was aber nichts daran ändert, dass es ein haltloses Argument ist).

Du meinst also, die Besteuerung von Arbeitsplätzen hat nichts damit zu tun, dass in Deutschland mit viel zu wenig Menschen produziert wird?

Tschüß


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05.10.2006, 17:12 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@NoImag:
>> Bei dieser Umschichtung geht es nicht darum, die Exporte
>> zu stärken, sondern darum, die Binnenkonjunktur zu stärken.
>> Der deutsche Konsument hat einen größeren Anreiz in
>> Deutschland produzierte Produkte zu kaufen.

Diese Argumentation macht aber IMHO erst dann richtig Sinn, wenn die Verlagerung von Arbeitsstellen ins Ausland oder die Konkurrenz von ausländischen Produkten im Inland eine gewichtige Rolle bei der Problematik der Arbeitslosigkeit spielen würden. Beides ist aber nicht der Fall - auch wenn es die Politik und diverse Globalisierungsgegner gerne mal behaupten.

>> An welche negativen Effekte denkst Du dabei?

Ich dachte da an die "normalen" negativen Effekte einer Umsatzsteuererhöhung (Sinken des Realeinkommens, Konsumrückgang, Verschlechterung der allgemeinen Stimmung,...).

>> Du meinst also, die Besteuerung von Arbeitsplätzen hat
>> nichts damit zu tun, dass in Deutschland mit viel zu
>> wenig Menschen produziert wird?

'Nichts' ist übertrieben. Ich gehe nur davon aus, dass ein Wegfall dieser Besteuerung nichts daran ändert, dass die Bedeutung des Faktors 'Arbeit' aufgrund des technischen Fortschritts weiter zurückgeht.

>> Das bisherige System bedeutet, dass nur dann Geld aus
>> Deinem Konsum in unserem Sozialsystem landet (denn der
>> Konsument bezahlt letztlich die Sozialbeiträge), wenn Du
>> in Deutschland hergestellte Produkte kaufst.

Wie kommst Du denn auf diese Idee? ;) Wenn Du in Deutschland ausländische Produkte kaufst, dann finanzierst Du immerhin die Sozialabgaben des Händlers. Auf der anderen Seite exportieren wir ja auch wie die Weltmeister und damit finanziert das Ausland unser Sozialsystem und nach wie vor haben wir ja einen kräftigen Exportüberschuss. Es ist nicht unbedingt sinnvoll, diesen zur Lösung unserer Probleme weiter zu vergrößern.

>> Noch wichtiger ist aber, dass die Finanzierung unseres
>> Sozialsystems auf breitere Füße gestellt wird. Bisher
>> wird es ausschließlich von den Einkommen aus abhängiger
>> Beschäftigung bis zu einer Einkommensobergrenze finanziert.

Das ist in der Tat ein Problem.

Alles in allem und kurz zusammengefasst: Meiner Ansicht nach kann eine Entkopplung der Sozialversicherung von den Löhnen und Gehältern durchaus zu ein paar positiven Effekten führen. Allerdings glaube ich nicht, dass sich dadurch an dem Problem der Arbeitslosigkeit Grundsätzliches ändert.

Ciao,
Andreas.

[ Dieser Beitrag wurde von Andreas_B am 05.10.2006 um 17:12 Uhr geändert. ]

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06.10.2006, 01:56 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

> Aber nur, wenn das auch alles wirklich eintritt, was man sich da
> vorstellt. Des weiteren gibt es auch eine Menge negative Effekte,
> die auftreten werden. Die Frage ist nur, ob die positiven Effekte
> die negativen Effekte tatsächlich überkompensieren? Ich habe da
> ehrlichgesagt Zweifel.

Man kann die positive Wirkunge jeder Reform anzweifeln, weil alles auch negative Effekte hat. Dieselben Zweifel sind auf eine Bürgerversicherung auch anwendbar.

> Ich dachte da an die "normalen" negativen Effekte einer
> Umsatzsteuererhöhung (Sinken des Realeinkommens, Konsumrückgang,
> Verschlechterung der allgemeinen Stimmung,...).

Du packst Dir eine Komponente raus und lässt die andere aussen vor. In diesem Fall hier würden Realeinkommen durch die Anhebung der MWST nicht sinken, weil der AN-Beitrag wegfällt. Die dadurch steigenden Nettoeinkommen würden Kosumrückgang und eine Verschlechterung der allgemeinen Stimmung (kann die überhaupt noch schlechter werden? ;) ) wahrscheinlich relativieren.

Eher noch steigen Realeinkommen leicht, weil eben nicht das gesamte Einkommen für Güter ausgegeben wird, die mit dem vollen MWST-Satz besteuert werden.

(Na ja, und ob der Kosum wegen der MWST-Erhöhung im Januar wirklich merklich zurückgehen wird, wird sich noch zeigen müssen. Beim letzten Mal war das nicht der Fall.)

> Diese Argumentation macht aber IMHO erst dann richtig Sinn, wenn
> die Verlagerung von Arbeitsstellen ins Ausland oder die Konkurrenz
> von ausländischen Produkten im Inland eine gewichtige Rolle bei der
> Problematik der Arbeitslosigkeit spielen würden. Beides ist aber
> nicht der Fall - auch wenn es die Politik und diverse
> Globalisierungsgegner gerne mal behaupten.

Ist es auch nur eine hartnäckige Behauptung von diversen Globalisierungsgegnern, dass inzwischen auch hochqualifizierte Stellen ins billigere Ausland verlagert werden?

> 'Nichts' ist übertrieben. Ich gehe nur davon aus, dass ein Wegfall
> dieser Besteuerung nichts daran ändert, dass die Bedeutung des
> Faktors 'Arbeit' aufgrund des technischen Fortschritts weiter
> zurückgeht.

Nur mal so am Rande. Mit Arbeit ist nicht nur das gemeint, was sich unterhalb der BBG abspielt.

> Wenn Du in Deutschland ausländische Produkte kaufst, dann
> finanzierst Du immerhin die Sozialabgaben des Händlers. Auf der
> anderen Seite exportieren wir ja auch wie die Weltmeister und damit
> finanziert das Ausland unser Sozialsystem und nach wie vor haben
> wir ja einen kräftigen Exportüberschuss. Es ist nicht unbedingt
> sinnvoll, diesen zur Lösung unserer Probleme weiter zu vergrößern.

Wenn AG sich im Innland im Durchschnitt 7,35% Sozialabgaben sparen können, haben sie genug Spielraum, die höhere MWST zu kompensieren. Du lässt erneut einen wichtigen Faktor aussen vor. Du denkst nur "MWST steigt". Das ist nur eine Varialbe in der Rechnung.

> Alles in allem und kurz zusammengefasst: Meiner Ansicht nach kann
> eine Entkopplung der Sozialversicherung von den Löhnen und
> Gehältern durchaus zu ein paar positiven Effekten führen.
> Allerdings glaube ich nicht, dass sich dadurch an dem Problem der
> Arbeitslosigkeit Grundsätzliches ändert.

Erwarte nicht von einer einzigen Reform, gleich die Grundsätze der Vorgehensweise von Wirtschaftsunternehmen ändern zu können. Die werden weiterhin dort arbeiten lassen, wo die Kosten niedirig und die Nachfrage hoch ist. Eine Reform, welche die Kostenvorteile anderer Standorte verringert, hat zumindest das Potential, die Arbeitsplätze im Land halten zu können, die an der Erzeugung von Produkten beteiligt sind, die im Innland abgesetzt werden sollen.

Ob bzw. innerhalb welchen Zeitraumes sich dieser Effekt genau so einstellen wird, diese Grantie kann uns niemand geben. Doch sind solche fiktiven Zweifel meiner Ansicht nach ein schlechter Grund, es einfach nur zu lassen, weils halt auch schief gehen könnte.

Ganz abgesehen davon, dass das nicht der Kernpunkt einer solchen Reform wäre.

Ob eine Bürgerversicherung funktioniert, weiß man auch erst hinterher. Wobei da meine Zweifel größer sind, weil auch das wieder nur auf den direkten Abzug von Einkommen abhängt, vom Prinzip her also nicht anderes ist, als das was wir jetzt haben.



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06.10.2006, 08:50 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
>> In diesem Fall hier würden Realeinkommen durch die Anhebung
>> der MWST nicht sinken, weil der AN-Beitrag wegfällt.

Aber nur, wenn die Preise auch tatsächlich sinken. Ich bin wirklich gespannt, ob die Kostenvorteile an die Kunden weitergegeben werden.

>> Eher noch steigen Realeinkommen leicht

Das wage ich doch sehr zu bezweifeln. Im übrigen hast Du aber in sofern Recht, dass ich in der Tat nur mal die negativen Seiten betrachtet habe (auf Nachfrage). Das es unter dem Strich möglich wäre, dass es Vorteile bringen könnte halte ich ja auch nicht für ausgeschlossen.

>> Ist es auch nur eine hartnäckige Behauptung
>> von diversen Globalisierungsgegnern, dass
>> inzwischen auch hochqualifizierte Stellen ins
>> billigere Ausland verlagert werden?

Die Art der Stellen habe ich überhaupt nicht betrachtet. Es geht mir darum: Wenn man sich mal ansieht, welchen Anteil ausgelagerte Stellen am gesamten Stellenabbau haben (AFAIK ca. 1% - aus dem Kopf. Wer bessere Zahlen hat, der möge mich korrigieren), dann wird deutlich, dass das Auslagern von Stellen nicht das wirkliche Problem ist. Zudem gibt es sogar Theorien, die besagen, dass das Auslagern von Stellen auch Stellen im Inland sichern kann, weil durch die Auslagerung überhaupt erst die Existenz des Unternehmens gesichert werden kann (wobei das dann das Gegenargument der Globalisierungsbefürworter ist ;) ).

>> Du lässt erneut einen wichtigen Faktor aussen vor. Du
>> denkst nur "MWST steigt". Das ist nur eine Varialbe in
>> der Rechnung.

Nö, ich lasse überhaupt keinen Faktor außen vor. Allerdings ist die Umsatzsteuer der einzige Faktor, der direkt beeinflusst wird. Etwas ähnliches gab es ja auch in der Krankenversicherung: Die Praxisgebühr hat beispielsweise tatsächlich die erhofften Impulse gebracht und zu einer enormen Entlastung der Krankenversicherungen geführt - aber so wirklich weitergegeben haben die Kassen das mit immer zweifelhafteren Ausreden nicht,...

>> Eine Reform, welche die Kostenvorteile anderer
>> Standorte verringert, hat zumindest das Potential,
>> die Arbeitsplätze im Land halten zu können, die an
>> der Erzeugung von Produkten beteiligt sind, die im
>> Innland abgesetzt werden sollen.

Tja, und ich glaube, die Auslagerung von Arbeitsplätzen ist überhaupt kein großes Problem und daher sehe ich dieser Reform auch nur geringen Nutzen.

>> Ob eine Bürgerversicherung funktioniert, weiß man auch
>> erst hinterher.

Nö, das weiß man auch vorher: Eine Bürgerversicherung als alleinige Maßnahme würde die Probleme im Gesundheitssektor nicht lösen, sondern lediglich aufschieben. Solange man nicht die Einnahmen- und die Ausgabenseite bei Reformen ins Visier nimmt sind das alles nur halbgare Frickeleien, die kurzfristig Wählerstimmen generieren (weil kurzfristige Erfolge bei Bürgerversicherung und auch bei Kopfpauschale sehr wahrscheinlich sind).

Ciao,
Andreas.

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06.10.2006, 13:30 Uhr

NoImag
Posts: 1050
Nutzer
Zitat:
Original von Andreas_B:
Ich dachte da an die "normalen" negativen Effekte einer Umsatzsteuererhöhung (Sinken des Realeinkommens, Konsumrückgang, Verschlechterung der allgemeinen Stimmung,...).


Du unterstellst, dass die Unternehmen ihre Entlastung nicht an ihre Kunden weitergeben. Angesichts des Preiskampfes garantiere ich Dir, dass die Mehrwertsteuererhöhung nicht weitergegeben wird, wo dies nicht unbedingt notwendig ist. Da ja auch der Arbeitnehmerbeitrag sinkt, wird es keine Steigerung des Realeinkommens und damit auch keinen Konsumrückgang geben. Wenn alles richtig erklärt wird, dann wird sich auch die Stimmung nicht noch weiter verschlechtern, sondern sogar verbessern.

Zitat:
Nö, ich lasse überhaupt keinen Faktor außen vor. Allerdings ist die Umsatzsteuer der einzige Faktor, der direkt beeinflusst wird. Etwas ähnliches gab es ja auch in der Krankenversicherung: Die Praxisgebühr hat beispielsweise tatsächlich die erhofften Impulse gebracht und zu einer enormen Entlastung der Krankenversicherungen geführt - aber so wirklich weitergegeben haben die Kassen das mit immer zweifelhafteren Ausreden nicht,...

Ach so, die Krankenkassen fressen das Geld einfach auf, oder wie?

Warum die Unternehmen die Entlastung weitergeben werden, habe ich ja schon oben geschrieben. Außerdem vergisst Du den Arbeitnehmerbeitrag, auch der wird direkt beeinflusst (abgeschafft). Weitere Ausgabensteigerungen kannst du nicht einer Umstellung auf die Mehrwertsteuer anlasten.

Zitat:
Wie kommst Du denn auf diese Idee? ;) Wenn Du in Deutschland ausländische Produkte kaufst, dann finanzierst Du immerhin die Sozialabgaben des Händlers. Auf der anderen Seite exportieren wir ja auch wie die Weltmeister und damit finanziert das Ausland unser Sozialsystem und nach wie vor haben wir ja einen kräftigen Exportüberschuss. Es ist nicht unbedingt sinnvoll, diesen zur Lösung unserer Probleme weiter zu vergrößern.

Nein, der Exportüberschuss finanziert nicht (vernachlässigbar) unser Sozialsystem. Es werden nur solche Produkte exportiert, die mit minimaler Arbeitnehmerzahl hergestellt werden können. Unser Sozialsystem wird aber derzeit über die Einkommen der Arbeitnehmer finanziert.

Der Sinn des ganzen ist keineswegs, den Exportüberschuss zu steigern, wie ich schon weiter oben geschrieben habe.

Zitat:
Die Art der Stellen habe ich überhaupt nicht betrachtet. Es geht mir darum: Wenn man sich mal ansieht, welchen Anteil ausgelagerte Stellen am gesamten Stellenabbau haben (AFAIK ca. 1% - aus dem Kopf. Wer bessere Zahlen hat, der möge mich korrigieren), dann wird deutlich, dass das Auslagern von Stellen nicht das wirkliche Problem ist. Zudem gibt es sogar Theorien, die besagen, dass das Auslagern von Stellen auch Stellen im Inland sichern kann, weil durch die Auslagerung überhaupt erst die Existenz des Unternehmens gesichert werden kann (wobei das dann das Gegenargument der Globalisierungsbefürworter ist ;) ).

Vorweg: Natürlich kann das Auslagern von Stellen im Ausland Stellen im Inland sichern. Es wäre aber besser, es wäre nicht notwendig, sie auszulagern.

Ansonsten kann ich nur sagen, glaube keine Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast. Wenn in Deutschland eine Produktion stillgelegt wird, weil Unternehmen aus dem Ausland den deutschen Markt erobert haben, dann ist dies praktisch dasselbe wie eine Auslagerung. Wenn in einem deutschen Betrieb die Produktivität durch Stellenabbau erhöht werden muss, weil im Ausland günstiger produziert werden kann, dann ist dies praktisch dasselbe wie eine Auslagerung.

Zitat:
Tja, und ich glaube, die Auslagerung von Arbeitsplätzen ist überhaupt kein großes Problem und daher sehe ich dieser Reform auch nur geringen Nutzen

Die Erhöhung der Produktivität wird natürlich immer weitergehen. Es gibt aber verschiedene Möglichkeiten, die Produktivität zu erhöhen. Durch die Reform wird der Druck reduziert, dies durch Arbeitsplatzabbau zu erreichen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Eine solche Reform ist kein Patentrezept, das alle unsere Probleme löst, aber sie behebt ein strukturelles Problem, ohne Nachteile zu haben. Sie wird von daher die Situation verbessern, und darauf kommt es an.

Tschüß




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06.10.2006, 13:59 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@NoImag:
>> wird es keine Steigerung des Realeinkommens und damit auch
>> keinen Konsumrückgang geben.

Ich unterstelle mal, Du meinst "keine Senkung" :)

>> Ach so, die Krankenkassen fressen das Geld einfach auf, oder wie?

Den Eindruck könnte man glatt bekommen ;)

>> aber sie behebt ein strukturelles Problem, ohne Nachteile zu haben.

Schaun mer mal ;)

Ciao,
Andreas.


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07.10.2006, 05:03 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

> Aber nur, wenn die Preise auch tatsächlich sinken. Ich bin wirklich
> gespannt, ob die Kostenvorteile an die Kunden weitergegeben werden.

Guck Dich doch mal mit offenen Augen um. Glaubst Du ernsthaft, irgendjemand könnte es sich noch erlauben, Preise zu erhöhen, wenn ihm vorher Kosten erlassen wurden (worüber dann alle bescheid wüssten)? Das geht selbst dann kaum noch, wenn es tatsächlich notwendig ist.

> Es geht
> mir darum: Wenn man sich mal ansieht, welchen Anteil ausgelagerte
> Stellen am gesamten Stellenabbau haben (AFAIK ca. 1% - aus dem
> Kopf. Wer bessere Zahlen hat, der möge mich korrigieren), dann wird
> deutlich, dass das Auslagern von Stellen nicht das wirkliche
> Problem ist.

Jede Einschränkung des einen Betriebes zieht Auftragsrückgänge in anderen Betrieben nach sich. Zulieferer, Dienstleister, Logistik, Verkehr, usw.. Die Kette ist lang. Mögen es 1% direk durch Verlagerungen sein. Rechnet man die Stellen mit, die inderekt infolge dessen verlorgen gingen, kommen wir wahrscheinlich in den zweistelligen Bereich. Arbeitplätze die durch Konsumausfall auf Grund von Arbeitslosigkeit wegfallen mal ganz ausssenvor gelassen.

> Zudem gibt es sogar Theorien, die besagen, dass das
> Auslagern von Stellen auch Stellen im Inland sichern kann, weil
> durch die Auslagerung überhaupt erst die Existenz des Unternehmens
> gesichert werden kann (wobei das dann das Gegenargument der
> Globalisierungsbefürworter ist ).

Wenn Manager von Konzernen wie Opel, Daimler Crysler, Thyssen Krupp, Siemens, Philips und vergleichbar von "Esistenz des Unternehmens sichern" sprechen, meinen sie nicht den Erhalt der zum Konzern gehörenden Betriebe in Deutschland. Sie meinen den Konzern als solchen. Und dabei ist es ihnen völlig egal, wo die Arbeit erledigt wird. Hauptsache die Kosten sind so gering wie möglich.

Du fällst auf die Märchen eingefleichter Globalisierungsbeführworter herein. Ja, Qutsourcing in Billiglohnländer sichert Arbeitsplätze im Konzern in Deutschland; für im Schnitt 2,5 Jahre. Dann geht es für die innländischen Beschäftigten des Konzerns in die nächste Runde in Sachen "wir müssen uns besser aufstellen". Was nichts anderes bedeutet als, "ihr müsst wieder auf was verzichten, sonst manchen wir hier zu".

Das ist keine Gewerkschaftspropaganda. Die schert Deutschland nicht. Die machen ihre Umsätze überwiegend im Ausland. Die, die verlagert haben, haben ihren Perosnalbestand hier kontinuierlich veringert. Die Mähr von der arbeitsplatzsichernden Wirkung von Verlagerungen dient allein Subventionen für die Verlagerungen zu bekommen. Ja, wenn man nur fest genug verprach, dadurch würden hier Arbeitsplätze sicher, gabs Geld dafür - vom Staat und von der EU. Nur leider haben sich dabei alle versprochen...

> Nö, ich lasse überhaupt keinen Faktor außen vor.

Das sehe ich anders.

> Allerdings ist die
> Umsatzsteuer der einzige Faktor, der direkt beeinflusst wird.

Falsch. Die Höhe der Lohnzusatzkosten und die Höhe der Nettoeinkommen wird ebenfalls direkt beeinflusst. Und zwar in positiver Weise. Daraus ist ein positiver Effekt auf den Arbeitsmarkt zu erwarten, der wiederum mehr Geld in das System bringen würde.

> Etwas
> ähnliches gab es ja auch in der Krankenversicherung: Die
> Praxisgebühr hat beispielsweise tatsächlich die erhofften Impulse
> gebracht und zu einer enormen Entlastung der Krankenversicherungen
> geführt - aber so wirklich weitergegeben haben die Kassen das mit
> immer zweifelhafteren Ausreden nicht,...

Es geht jetzt erst mal nicht darum, Kranke durch Pseudobeiträge davon abzuhalten, zum Arzt zu gehen. Es geht jetzt erst mal nicht darum, Krankenkassen zu entlasten. Es geht jetzt nur darum, die Finanzierung als solche auf festere Beine zu stellen. In dem alle, nicht nur Einkommensbezieher, in das System einzahlen. Jeder nach seiner Fasson.

Was Du jetzt ansprichst, ist ein anderer Teil der Reform. Das hat mit der Abschaffung des beitragsfinanzierten Systems zu Gunsten eines steuerfinanzierten Systems erst mal nichts zu tun.

Wobei das quantitative Finanzierungsproblem meiner Ansicht nach auch und immer noch stark etwas damit zu tun hat, dass sich die pKV die guten Risiken sammelt, während die gKV mehrheitlich die schlechten Risiken verwalten muss. Auch hier würde die Reform greifen. Bei Finanzierung über Steuern wäre automatisch jeder Leistungsberechtig in einem System zur Grundversorgung. Die Risiken wären wieder in Balance. Die pKV darf sich dann damit befassen, Pakete für die anzubieten, denen die Grundversorgung nicht reicht und die sich mehr leisten wollen und können.

Nur leider ist die pKV auch so eine heilige Kuh, der man nicht ans Euter fassen darf....

>Solange man nicht die Einnahmen- und die Ausgabenseite bei Reformen
> ins Visier nimmt sind das alles nur halbgare Frickeleien, die
> kurzfristig Wählerstimmen generieren (weil kurzfristige Erfolge bei
> Bürgerversicherung und auch bei Kopfpauschale sehr wahrscheinlich sind).

Mensch Carsten. Wir diskutieren einen Punkt eines möglichen Reformpaketes. Nicht mehr, nicht weniger. Zunächst muss man sich mal darüber einig sein, wo das Geld herkommen soll. Wie es dann verwaltet wird, das zu erörtern wäre der nächste Schritt.

Vielleicht kommt bei der Reformen der Politik auch nichts Vernünftiges rum, weil die immer alles auf einmal verhackstückeln wollen. Schritt für Schritt kommt man oft besser ans Ziel, weil die Gefahr geringer ist, sich unterwegs in immer noch strittige Details zu verheddern. Die springen in den Themenbereichen hin und her, und am Ende weiß keiner mehr so genau, von was gerade die Rede ist. Und dann hat der Edmund die Hand gehoben und weiß gar nicht wofür... ;)

[ Dieser Beitrag wurde von Maja am 07.10.2006 um 05:09 Uhr geändert. ]

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07.10.2006, 05:07 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@@NoImag:

Mit Garantien wäre ich vorsichtig. ;)

Im Prinzip hast Du Recht. Nun erwarte ich nicht, dass gar nichts teurer werden würde. Manche können solchen Versuchungen halt nicht standhalten. Die Quittung werden sie dafür dann sicher bekommen (Umsatzrückgang). Es wird sein, wie es immer ist. Manches wird im Preis gleich bleiben, manches wird teurer werden, manches vielleicht sogar billiger, weil die Einsparung des AG-Beitrages vielleicht wieder mehr Luft schafft.

Aber das wäre alles abzuwarten. Ich bin der Meinung, dass wir schon viel zu lange auf eine echte Reform warten, liegt genau an dem Symptom, dass alle sich so sehr davor fürchten, dass es nicht könnte.

Zu viel hätte, wäre, wenn, und zu wenig echtes Handlen. Keiner traut sich was. Jeder hat Angst, etwas völlig anderes als das, was wir heute haben, könnte dazu führen, dass am 30. Mai die Welt untergeht. Wir haben Angst vor der eigenen Courage.

Du meine Güte. Wenn unsere Urgroßeltern und Großeltern genau so drauf gewesen wären, wo wären wir dann heute wohl? ;)

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07.10.2006, 07:37 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
Nutzer
@Maja:
>> Glaubst Du ernsthaft, irgendjemand könnte es sich noch
>> erlauben, Preise zu erhöhen, wenn ihm vorher Kosten
>> erlassen wurden

Zumindest könnte man die Preise nicht oder nur gerigfügig mit dem Argument "die Senkung der Lohnnebenkosten ermöglicht es überhaupt erst, die Preise konstant zu halten" senken. Siehe Krankenkassen: "Dadurch waren wir in der Lage die Beiträge konstant zu halten". Sie hätte schon senken können, aber sie haben es nicht getan und nun droht eine weitere Erhöhung.

>> Du fällst auf die Märchen eingefleichter
>> Globalisierungsbeführworter herein.

Nö, allerdings hätte ich einen Ironie-Smiley in die Klammer mit dem "Argument" setzen sollen. Ich wollte nur mal ein Argument der anderen Extrem-Argumentation aufzeigen - quasi etwas selbstironisch :)

>> > Nö, ich lasse überhaupt keinen Faktor außen vor.
>>
>> Das sehe ich anders.

Ich nicht ;) :D

>> Was Du jetzt ansprichst, ist ein anderer Teil der Reform.

O.K., vielleicht haben wir da etwas aneinander vorbeigeredet.

>> Wobei das quantitative Finanzierungsproblem meiner Ansicht
>> nach auch und immer noch stark etwas damit zu tun hat, dass
>> sich die pKV die guten Risiken sammelt, während die gKV
>> mehrheitlich die schlechten Risiken verwalten muss.

Das habe ich ja bereits weiter vorne erwähnt. Natürlich ist das ein Problem, absolut.

>> Mensch Carsten. Wir diskutieren einen Punkt eines
>> möglichen Reformpaketes.

Auch wenn Carsten und ich oft ähnliche Ansichten haben, bin ich jedoch wirklich nicht Carsten - auch nicht sein Zweitaccount ;)

>> Zunächst muss man sich mal darüber einig sein, wo
>> das Geld herkommen soll. Wie es dann verwaltet wird,
>> das zu erörtern wäre der nächste Schritt.

Umgekehrt könnte man das genauso gut (IMHO sogar besser) machen, nämlich erstmal Kosten senken und dann die Einkommensseite bearbeiten. Die Kosten zu senken wäre meines Erachtens der wichtigere Schritt, den man zuerst machen sollte.

>> Schritt für Schritt kommt man oft besser ans Ziel, weil
>> die Gefahr geringer ist, sich unterwegs in immer noch
>> strittige Details zu verheddern.

Im Moment ist diese Schritt-für-Schritt-Taktik tatsächlich positiv für die Bevölkerung, denn ich taste mich lieber vorsichtig an den Abgrund heran als dass ich mit einem riesen Satz direkt hineinspringe ;)
Aber mal im Ernst: Wer Jahrelang etwas von großen Reformen schwafelt und dann letztlich ein paar jämmerliche Reförmchen präsentiert, der muss sich nicht darüber wundern, wenn er an seinen Worten gemessen wird und kritisiert wird.

Ciao,
Andreas.

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07.10.2006, 22:32 Uhr

Maja
Posts: 15429
Nutzer
@Andreas_B:

> Zumindest könnte man die Preise nicht oder nur gerigfügig mit dem
> Argument "die Senkung der Lohnnebenkosten ermöglicht es überhaupt
> erst, die Preise konstant zu halten" senken.

Äh, mal langsam. Konstante Preise sollten nun wirklich kein Problem sein. Zumal Netteinkommen durch die von uns hier diskutierte Variante kräftig steigen würden.

Wenn Preise konstant bleiben und gleichzeitig Einkommen steigen, kann das auch als Preissenkung betrachten werden. ;)

> Siehe
> Krankenkassen: "Dadurch waren wir in der Lage die Beiträge konstant
> zu halten". Sie hätte schon senken können, aber sie haben es nicht
> getan und nun droht eine weitere Erhöhung.

Lass uns bitte nicht Krankenkassen und Unternehmen der freien Wirtschaft in einen Topf werfen.

> Auch wenn Carsten und ich oft ähnliche Ansichten haben, bin ich
> jedoch wirklich nicht Carsten - auch nicht sein Zweitaccount ;)

Uups, sorry Andreas_B! Ich sollte besser nicht in einem Tab Beiträge schreiben und in einem anderen Beiträge lesen. :glow:

> Umgekehrt könnte man das genauso gut (IMHO sogar besser) machen,
> nämlich erstmal Kosten senken und dann die Einkommensseite
> bearbeiten. Die Kosten zu senken wäre meines Erachtens der
> wichtigere Schritt, den man zuerst machen sollte.

Meiner Meinung nach müsste Beides simultan geschehen. Doch wenn schon eins nach dem anderen, dann zuerst mal die Einnahmenseite reformieren. Aber wirlich reformieren, nicht einfach nur Beiträge erhöhen, wie es jetzt geschehen soll.

Wer weiß? Vielleicht stellt sich nach einer echten Reform der Einnahmenseite heraus, dass die Ausgabenseite eigentlich kein so großes Problem mehr darstellt. ;)

> Aber mal im Ernst: Wer Jahrelang etwas von großen Reformen
> schwafelt und dann letztlich ein paar jämmerliche Reförmchen
> präsentiert, der muss sich nicht darüber wundern, wenn er an seinen
> Worten gemessen wird und kritisiert wird.

Mit der Parteienlandschaft, wie wir sie hier haben, wird das wahrscheinlich nie was. Da ist kein einzige Visionär darunter. Alle sitzen sie im Fichtenwald und sehen nicht, dass ein paar Buchen zu pflanzen für diese Monokultur das Beste wäre. Tunneldenken beherrscht das Bild.

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08.10.2006, 02:14 Uhr

NoImag
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Zitat:
Original von Andreas_B:
@NoImag:
>> wird es keine Steigerung des Realeinkommens und damit auch
>> keinen Konsumrückgang geben.

Ich unterstelle mal, Du meinst "keine Senkung" :)


Ups, ja, da liegst du richtig.

Tschüß


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08.10.2006, 02:25 Uhr

NoImag
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Zitat:
Original von Maja:
Aber das wäre alles abzuwarten. Ich bin der Meinung, dass wir schon viel zu lange auf eine echte Reform warten, liegt genau an dem Symptom, dass alle sich so sehr davor fürchten, dass es nicht könnte.


Ist das wirklich so? Ich habe da mehr die Interessengruppen und ihre Befehlsempfänger in der Politik in Verdacht.

Zitat:
Du meine Güte. Wenn unsere Urgroßeltern und Großeltern genau so drauf gewesen wären, wo wären wir dann heute wohl? ;)

Auch früher gab es schon schwere Geburten.

Tschüß


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08.10.2006, 02:34 Uhr

NoImag
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Zitat:
Original von Andreas_B:
Zumindest könnte man die Preise nicht oder nur gerigfügig mit dem Argument "die Senkung der Lohnnebenkosten ermöglicht es überhaupt erst, die Preise konstant zu halten" senken. Siehe Krankenkassen: "Dadurch waren wir in der Lage die Beiträge konstant zu halten". Sie hätte schon senken können, aber sie haben es nicht getan und nun droht eine weitere Erhöhung.


Es herrscht ein erheblicher Preiskampf zwischen den Unternehmen. Argumentieren können sie viel, aber bevor ihnen die Kunden weglaufen, werden sie lieber die Entlastung an ihre Kunden weitergeben. Das ist nicht mit den Krankenkassen zu vergleichen. Außerdem: Wie kommst Du eigentlich darauf, dass die Krankenkassen gelogen haben?

Zitat:
Umgekehrt könnte man das genauso gut (IMHO sogar besser) machen, nämlich erstmal Kosten senken und dann die Einkommensseite bearbeiten. Die Kosten zu senken wäre meines Erachtens der wichtigere Schritt, den man zuerst machen sollte.

Die Kosten werden seit Jahren gesenkt (auf Kosten der Kranken). Die Einnahmeseite anzugehen ist überfällig. Das heißt natürlich nicht, dass es bei der Kostenseite keinen Reformbedarf mehr gibt, aber die Einnahmeseite darf nicht länger ignoriert werden.

Tschüß


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08.10.2006, 05:32 Uhr

Maja
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@NoImag:

> Ist das wirklich so? Ich habe da mehr die Interessengruppen und
> ihre Befehlsempfänger in der Politik in Verdacht.

Die Politik ist eine, die Bevölkerung eine andere Sache.

Die einen lassen sich von den "Bedenken" und "Prognosen" von Interessengruppen einwickeln (u.a. auch Gewerkschafen, die inzwischen selbst parteiähnliche Strukuren entwickelt haben), weil weder die Politik noch diese Interessengruppen noch wissen wie es ist, ein Leben als Otto-Normalbürger zu führen, und fürchten sich mehr vor parteilichem "Profilverlust" und Wählers "Rache" als vor chronisch leeren Kassen. Weshalb auch jetzt wieder nur Verschiebebahnhof gespielt wird.

Und die anderen? Tja, was glaubst Du wohl wie diese Bevölkerung mehrheitlich reagieren würde, wenn morgen von der Presse verkündet werden würde, "gKV wird in Zukunft nur noch aus Steuern finanziert, dafür wird die MWST auf 25% steigen"? Die Presse (wann kam von dort dsa letzte Mal rein sachlich informative Berichterstattung?) würde es mal wieder bis auf die blanken Knochen (den möglichen negativen Folgen) demontieren, sich die Verlierer (die es immer gibt) herauspicken und Volkes Wille würde die so reformierende Regierung sicherlich nicht wiederwählen. Bis sie dann gemerkt haben, dass das doch nicht so verkehrt war, wird es zu spät sein und die nachfolgende Politik (wahrscheinlich Mitte links) wird gemäß liebgewonnener Schildkrötentaktik alles wieder zurückgenommen haben.

Allen ist eine Eigenschaft zueigen: Die Furcht vor umfassenden Veränderungen. Jeder auf seine Weise. Jeder aus seinen höchsteigenen Beweggründen. Na ja, und Arbeitgeber entlasten steht beim Volk ohnehin nicht so hoch im Kurs. Gelten die doch seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als die Ausbeuter der Arbeiterklasse schlechthin.

/Satire Modus aus


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08.10.2006, 11:39 Uhr

Holger
Posts: 8116
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Zitat:
Original von Maja:
Und die anderen? Tja, was glaubst Du wohl wie diese Bevölkerung mehrheitlich reagieren würde, wenn morgen von der Presse verkündet werden würde, "gKV wird in Zukunft nur noch aus Steuern finanziert, dafür wird die MWST auf 25% steigen"?

Na ja, manchmal denkt man ja, wenn eine Institution festangestellte "Pressesprecher" besitzt, sollten die auch irgendwann mal ihren Job lernen. Wie wärs mit "Ab sofort hat jeder Arbeitnehmer ~30% mehr Geld in der Tasche, dafür steigt die Mehrwertsteuer um 7%"? Klingt doch schon viel freundlicher...
Zitat:
Bis sie dann gemerkt haben, dass das doch nicht so verkehrt war, wird es zu spät sein und die nachfolgende Politik (wahrscheinlich Mitte links) wird gemäß liebgewonnener Schildkrötentaktik alles wieder zurückgenommen haben.
Könnte man wirklich die Abschaffung der 250 (oder so) Krankenkrassen ein paar Jahre später wieder zurücknehmen? Oder gar die Mehrwertsteuer senken? Das geht doch gar nicht.

mfg
--
Good coders do not comment. What was hard to write should be hard to read too.

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08.10.2006, 12:05 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
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@NoImag:
>> Die Kosten werden seit Jahren gesenkt (auf Kosten der Kranken).

Nein, die Ausgaben werden gesenkt. Das ist ein großer Unterschied. Stichwort "Budgetdeckelung". An den, nennen wir es mal "Kosten pro Behandlungseinheit" wurde eben nichts verändert. Was ja auch kein Wunder ist, wenn es dafür keine Anreize gibt.
Darauf basiert ja auch die sog. "Kostenexplosion" im Gesundheitswesen. Eigentlich ist das nicht das richtige Wort, denn die "Kosten pro Behandlungseinheit" steigen eigentlich nicht so sehr an. Korrekter wäre also "Ausgabenexplosion" - und eine schlechte Methode, diese zu verhindern ist die praktizierte Budgetdeckelung.

>> Wie kommst Du eigentlich darauf, dass die
>> Krankenkassen gelogen haben?

Lügen ist das falsche Wort. Aber wenn ich in so kurzer Zeit einen so großen Schuldenberg abbauen kann, dann kann ich ihn auch etwas langsamer abbauen und gleichzeitig die Versicherten ebenfalls profitieren lassen. Letzteres war ja schließlich eines der großen Ziele der Praxisgebühr. Ziel war ja, durch die Senkung der Beiträge zu erreichen, dass sich die Versicherten trotz Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung unter dem Strich nicht schlechter stehen. Da die Krankenkassen aber nicht die Beiträge gesenkt haben, ist dieses Ziel verfehlt worden - und das, obwohl die erwarteten positiven Effekte tatsächlich eingetreten sind!

>> aber die Einnahmeseite darf nicht länger ignoriert werden.

Tja, ich respektiere Deine Ansicht, aber ich teile sie nur bedingt. Wenn immer wieder nur die Einnahmenseite verändert wird, dann bleiben uns die grundsätzlichen Probleme im Gesundheitswesen erhalten und das einzige, was wir damit erreichen ist, dass wir die Probleme weiter vor uns herschieben.
In zehn Jahren fällt uns schon noch was ein, wie wir noch viel mehr Geld in das Gesundheitswesen buttern können,... Wir zahlen zwar einen Mercedes, bekommen aber einen Golf, aber was soll's,... ;)

Ciao,
Andreas.

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08.10.2006, 12:10 Uhr

Andreas_B
Posts: 3121
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@Maja:
>> Meiner Meinung nach müsste Beides simultan geschehen.

Natürlich, das wäre optimal.

>> Wer weiß? Vielleicht stellt sich nach einer echten
>> Reform der Einnahmenseite heraus, dass die Ausgabenseite
>> eigentlich kein so großes Problem mehr darstellt.

Du kannst ziemlich sicher sein, dass das nicht eintreten wird. Das jetzige System hat einfach prinzipbedingte Probleme, die uns immer wieder einholen werden. Bis das die Regierungsparteien mal realisiert haben werden wir wohl noch eine Weile ein klassisches "Hase und Igel" spiel haben: Einnahmen steigern -> Ausgaben steigen -> als Reaktion darauf wieder Einnahmen steigern,...

@NoImag
>> Ist das wirklich so? Ich habe da mehr die Interessengruppen
>> und ihre Befehlsempfänger in der Politik in Verdacht.

Ich gebe Dir vollkommen recht, das ist ein sehr großes Problem. Im Prinzip herrscht eine Art "lobbyistisches Gleichgewicht", welches vom Wettbewerb der Lobbyisten untereinander bestimmt wird (vielleicht etwas überspitzt formuliert, im Kern jedoch korrekt).

Ciao,
Andreas.



[ Dieser Beitrag wurde von Andreas_B am 08.10.2006 um 12:14 Uhr geändert. ]

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08.10.2006, 18:06 Uhr

Maja
Posts: 15429
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@Holger:

> Na ja, manchmal denkt man ja, wenn eine Institution
> festangestellte "Pressesprecher" besitzt, sollten die auch
> irgendwann mal ihren Job lernen. Wie wärs mit "Ab sofort hat jeder
> Arbeitnehmer ~30% mehr Geld in der Tasche, dafür steigt die
> Mehrwertsteuer um 7%"? Klingt doch schon viel freundlicher...

Langsam. Du denkst schon 3 Schritte weiter. Du hast vom Prinzip her zwar Recht. Optimal wäre, alle sozialen Sicherungssysteme über Steuern zu finanzieren, also gKV, gRV und ggf. noch ALV.

Hier gehts uns aber zunächst mal nur um die gKV als ein erster Schritt in diese Richtung. Damit würde jeder AN im Durchschnitt 7% mehr Geld in der Tasche haben. Wenn im Gegenzug der volle MWST-Satz um 7% erhöht wird (so viel wird wahrscheinlich gar nicht nötig sein), würde das unterm Strich diese Einkommensteigerung zwar nicht gänzlich aufzehren, viel freundlicher klingt das aber trotzdem nicht.

Ausserdem sind auch Journalisten nur Menschen, die zudem meist oberhalb der BBG verdienen und privat versichert sind. Was von einer Info hängen bleibt, hängt maßgeblich von der eigenen Lebenssituation ab. Ich habe schon oft genug erlebt, dass Berichterstattung den ursprünglichen Infos im Detail nicht mehr ähnlich sehen. Ein Beispiel ist die Besteuerung von Zuschlägen für Nachtarbeit. Hier wird seit einiger Zeit ab einem Stundengrundlohn (sprich: fixes Stundenentgelt ohne variable Entgeltbestandteile) in Höhe von 25 EUR/Std. Steuer auf Nachtzuschläge erhoben. Was wurde in der Presse daraus? "Nachtzuschläge werden ab 25 EUR versteuert." Kurz und prägnant ist ja schön. Aber zu kurz wird was gängzlich anderes draus.

Das hatte zu heller Aufregung im Betrieb geführt. Ich hatte am Tag drauf ca. 30 Kollegen auf einmal am Hals. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis es mir gelang erfolgreich klar zu machen, dass diese Auslegnung falsch ist, die Besteuerung vom Stundengrundlohn abhängig ist, nicht von der Höhe der Zuschläge, und dass bei uns kein einziger Mitarbeiter von dieser Neuregelung betroffen ist, weil bei uns keiner einen so hohen Stundengrundlohn hat.

Ich verlasse mich schon lange nicht mehr auf Presseberichte, sondern suche mir den genauen Wortlaut von geänderten bzw. neuen Gesetzen und Regelungen heraus, um genau solche Missverständnisse zu vermeiden bzw. entsprechend begegnen zu können. Journalistische Sorgfalt lässt leider stark zu wünschen übrig. Besonders bei Belangen von denen Journalisten persönlich nicht betroffen sind. Ich kann da nur zur Vorsicht raten, nicht gleich dem ersten Eindruck zu glauben und zu recherchieren, was tatsächlich dahinter steckt.

> Könnte man wirklich die Abschaffung der 250 (oder so)
> Krankenkrassen ein paar Jahre später wieder zurücknehmen? Oder gar
> die Mehrwertsteuer senken? Das geht doch gar nicht.

Hehe, Du bist zu langsam. ;)
Ich ging von dem Szenario aus, das wir hatten als die Kohl-Regierung abgewählt wurde. Regierung scheitert, vorgezogene Bundestagswahlen. Beschlossene aber noch nicht umgesetzte Änderungen werden zurückgenommen. Damals betraf es insbesondere die gRV. Der zunächst beschlossene demographische Faktor wurde wieder abgeschafft (um ihn später in anderem Gewand wieder einzuführen).

Und Du bist zu schnell. :)
Du bist schon bei einer Reform der Kostenseite im Reformpaket. Es gibt über 300 gesetzliche Krankenkassen. Es wäre in der Tat wünschenswert, diese Zahl z. B. durch Fusionen kleiner Kassen mit wenigen Versicherten stark zu reduzieren. Durch die Verpflichtung zum Finanzausgleich der Kassen untereinander gibt es ohnehin keinen echten Wettbewerb. Was da künstlich am Leben erhalten wird, damit das Kind nach freier Kassenwahl riecht, kostet nur das Geld der Versicherten aller Kassen.

@Andreas_B:

Wenn wir mal ausser Acht lassen, dass wir uns betrogen und belogen fühlen, bleibt übrig, dass ein Schuldenberg Zinsen kostet; verbranntes Geld. Wenn ich mal ausser Acht lasse, dass es mir persönlich natürlich viel lieber wäre, wenn man meinem Arbeitgeber und mir monatlich ein paar Euro weniger für das Gesundheitswesen aus den Taschen nehmen würde, bleibt übrig, dass eine gewisse Zeit mit hohen Beiträgen Zwecks raschem Schuldenabbau einem langen Zeitraum mit erzwungen künstlich geringem Beitrag, von dem das meiste für Zinsen und Tilgung drauf gehen würde, was zu noch höheren Zuzahlungen, sinkender Budgettierung, etc. zwingen würde, vorzuziehen ist.

Ein anderes Thema ist die Kostenentwicklung insgesamt. Ich halte es für eine schöne Illusion zu glauben, die Gesamtkosten könnten irgendwann mal wieder sinken. Selbst wenn man es schaffen würde, alle die nur aus Langeweile zum Arzt gehen davon abzuhalten, die Kosten für Medikation und Behandlung Kranker wird weiter steigen, wenn wir aus technischer Sicht nicht auf dem Stand von heute verharren wollen. Das kann sich niemand ernsthaft wünschen. Wer möchte sich wünschen, dass es z. B. niemals möglich sein soll Alzheimerpatienten oder besonders bösartige Krebserkrankungen wirklich zu heilen, nur damit die Kosten im Gesundheitswesen nicht mehr steigen?

Nein. Die Kostenkontrolle noch weiter bei der Behandlung ansetzen zu wollen, halte ich für den falschen Weg. Die Praxisgebühr regt offenbar einige zum Nachdenken an. Dass die Medikation von Bagatellerkrankungen nicht mehr von den Kassen bezahlt wird, ist auch okay. Gleiches gilt für die Anti-Raucher-Akupunktur und Vergleichbares. Dass aber z. B. Krebspatienten für die Behandlung notwendige Ultraschalluntersuchungen selbst bezahlen müssen, gehört zu den Auswüchsen, die nicht mehr tolerierbar sind. Da wird zum Teil schon weit über das Ziel hinausgeschossen. So darf es nicht weiter gehen.

Unter anderem werden hier vermeindlich Gesunde gegen Kranke auf gehetzt. Man wird im Wartezimmer ja schon argwöhnisch beäugt, ob man nicht gerade die Kosten unnötig in die Höhe treibt.

Und darum ist es so besonders wichtig die Einnahmeseite in einer Weise zu reformieren, die geeignet ist das Gleichgewicht zwischen Zahl der Leistungsberechtigten und dem versicherten Risiko wieder herzustellen. Fernab von allen gesellschaftlichen Standesdünkeln.

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09.10.2006, 10:40 Uhr

Andreas_B
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@Maja:
>> Nein. Die Kostenkontrolle noch weiter bei der Behandlung
>> ansetzen zu wollen, halte ich für den falschen Weg.

Habe ich das irgendwo gefordert? Es ist durchaus möglich, den aktuellen Leistungskatalog voll und ganz zu erhalten, bei deutlich weniger Kosten. Für das was wir zahlen, bekommen wir viel zu wenig, das ist das eigentliche Problem. Das ist sogar den Krankenkassen bewusst - ich meine, Solar hatte mal in einem anderen Thread einen Artikel von der AOK verlinkt, in dem das Problem angesprochen wurde. Das Gesundheitswesen ist im Moment eine gigantische Geldverschwendungsmaschinerie mit zu vielen Ineffizienzen. Beseitigt man die Ineffizienzen, dann kann man auch ohne Leistungsverlust die Kosten drücken. Das das Gesundheitswesen aufgrund einiger Besonderheiten vermutlich nie so effizient sein kein wie ein "normaler" Markt ist ja noch akzeptabel. Das aber eine deutlich verbesserte Effizienz möglich wäre, ist eigentlich unstrittig.

>> bleibt übrig, dass eine gewisse Zeit mit hohen Beiträgen
>> Zwecks raschem Schuldenabbau einem langen Zeitraum
>> mit erzwungen künstlich geringem Beitrag, von dem
>> das meiste für Zinsen und Tilgung drauf gehen würde,
>> was zu noch höheren Zuzahlungen, sinkender Budgettierung,
>> etc. zwingen würde, vorzuziehen ist.

Das sehe ich anders. Man hätte problemlos eine Win-Win-Situation schaffen können, aber man hat es nicht getan.

Ciao,
Andreas.

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09.10.2006, 13:48 Uhr

NoImag
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Zitat:
Original von Maja:
Und die anderen? Tja, was glaubst Du wohl wie diese Bevölkerung mehrheitlich reagieren würde, wenn morgen von der Presse verkündet werden würde, "gKV wird in Zukunft nur noch aus Steuern finanziert,
dafür wird die MWST auf 25% steigen"?


Natürlich ablehnend, weil sie anderer Meinung ist (wie Andreas_B), das Konzept nicht versteht oder gar nicht richtig zuhört. Da muss der Regierungssprecher eben endlich mal das machen, wofür er Steuergelder bekommt.

Zitat:
Die Presse (wann kam von dort dsa letzte Mal rein sachlich informative Berichterstattung?) würde es mal wieder bis auf die blanken Knochen (den möglichen negativen Folgen) demontieren, sich die Verlierer (die es immer gibt) herauspicken und Volkes Wille würde die so reformierende Regierung sicherlich nicht wiederwählen.

Auf die Presse darf sich die Regierung natürlich nicht verlassen. Was das wiederwählen betrifft: Eine solche Reform macht man am Anfang der Legislaturperiode. Bei der nächsten Wahl hat sich das Volk wieder beruhigt.

Zitat:
Bis sie dann gemerkt haben, dass das doch nicht so verkehrt war, wird es zu spät sein und die nachfolgende Politik (wahrscheinlich Mitte links) wird gemäß liebgewonnener Schildkrötentaktik alles wieder zurückgenommen haben.

So häufig kommt es nicht vor, dass etwas wieder zurückgenommen wird. Im Gegenteil, meistens wird gesagt, eine Zurücknahme ist nicht möglich. Um die Barriere zu erhöhen, sollte das Gesetz natürlich rechtzeitig vor der nächsten Wahl umgesetzt werden.

Zitat:
Na ja, und Arbeitgeber entlasten steht beim Volk ohnehin nicht so hoch im Kurs. Gelten die doch seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als die Ausbeuter der Arbeiterklasse schlechthin.

Arbeitgeber sind Ausbeuter. So funktioniert die Marktwirtschaft. Ein ehrlicher Geschäftsmann ist ein schlechter Geschäftsmann. Was das Volk nicht bedenkt, ist, dass die Abgaben, die der Unternehmer (als Unternehmer) zahlt, tatsächlich von seinen Kunden, d.h. vom Volk, bezahlt werden. Hohe Abgaben für Unternehmen treffen deshalb gar nicht die Ausbeuter.

Tschüß


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09.10.2006, 14:13 Uhr

NoImag
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Zitat:
Original von Andreas_B:
Nein, die Ausgaben werden gesenkt. Das ist ein großer Unterschied. Stichwort "Budgetdeckelung". An den, nennen wir es mal "Kosten pro Behandlungseinheit" wurde eben nichts verändert. Was ja auch kein Wunder ist, wenn es dafür keine Anreize gibt.
Darauf basiert ja auch die sog. "Kostenexplosion" im Gesundheitswesen. Eigentlich ist das nicht das richtige Wort, denn die "Kosten pro Behandlungseinheit" steigen eigentlich nicht so sehr an. Korrekter wäre also "Ausgabenexplosion" - und eine schlechte Methode, diese zu verhindern ist die praktizierte Budgetdeckelung.


Ok, in der Realität wurde tatsächlich mehr an den Ausgaben als an den Kosten gearbeitet. Es gab aber auch Maßnahmen, die die Kosten senken sollten: Mehr Wettbewerb bei Krankenkassen durch Gleichstellung aller Kassen, mehr Wettbewerb bei Apotheken (Internet, Filialen), Preissenkungen bei Medikamenten per Gesetz, Verschreibung des preiswertesten Medikamentes gleichen Wirkstoffes, der Versuch mit der Bestrafung von Krankheit die Patienten zu kostenbewusstem Verhalten anzuregen. Die Liste lässt sich sicher noch verlängern. Das dies alles nicht so richtig erfolgreich war, ist eine ganz andere Geschichte.

Zitat:
Lügen ist das falsche Wort. Aber wenn ich in so kurzer Zeit einen so großen Schuldenberg abbauen kann, dann kann ich ihn auch etwas langsamer abbauen und gleichzeitig die Versicherten ebenfalls profitieren lassen. Letzteres war ja schließlich eines der großen Ziele der Praxisgebühr. Ziel war ja, durch die Senkung der Beiträge zu erreichen, dass sich die Versicherten trotz Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung unter dem Strich nicht schlechter stehen. Da die Krankenkassen aber nicht die Beiträge gesenkt haben, ist dieses Ziel verfehlt worden - und das, obwohl die erwarteten positiven Effekte tatsächlich eingetreten sind!

Oh nein, das Ziel war der Schuldenabbau! Die Krankenkassen hätten eigentlich gar keine Schulden haben dürfen (bei gesetzestreuem Verhalten). Die Schulden sind überhaupt erst entstanden, weil die Versicherten verschuldeter Kassen in der Vergangenheit zu niedrige Beiträge gezahlt haben. Meine Kasse war schuldenfrei und hat deshalb auch tatsächlich die Beiträge gesenkt, wenn auch nicht in der von der Politik versprochenen Höhe. Da die Verwaltungskosten meiner Krankenkasse aber nicht gestiegen sind, muss sich die Politik verrechnet haben.

Zitat:
Tja, ich respektiere Deine Ansicht, aber ich teile sie nur bedingt. Wenn immer wieder nur die Einnahmenseite verändert wird, dann bleiben uns die grundsätzlichen Probleme im Gesundheitswesen erhalten und das einzige, was wir damit erreichen ist, dass wir die Probleme weiter vor uns herschieben.

"... immer wieder nur ..."? Die Einnahmeseite wurde bisher noch gar nicht reformiert.

Tschüß


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09.10.2006, 14:22 Uhr

NoImag
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Zitat:
Original von Andreas_B:
Bis das die Regierungsparteien mal realisiert haben werden wir wohl noch eine Weile ein klassisches "Hase und Igel" spiel haben: Einnahmen steigern -> Ausgaben steigen -> als Reaktion darauf wieder Einnahmen steigern,...


So läuft das aber nicht. Tatsächlich passiert folgendes: Ausgaben steigen -> Beitragserhöhung -> Konsumrückgang/höhere Arbeitslosigkeit -> Einnahmerückgang -> Beitragserhöhung -> ...
Ab und zu darfst Du in diese Kette "Ausgaben steigen" einfügen.

Natürlich steigen auch die Kosten, aber die Kostensteigerungen sind nur eine Hälfte des Problems. Die Kopplung der Einnahmen an abhängige Beschäftigung spielt eine ebenso große Rolle. Ohne diese Kopplung wäre die Situation wesentlich weniger dramatisch. Natürlich heißt dies nicht, dass man bei den Kosten nichts zu machen braucht, man darf aber nicht noch länger die Einnahmeseite ignorieren.

Tschüß


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09.10.2006, 14:41 Uhr

Andreas_B
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@NoImag:
>> Ein ehrlicher Geschäftsmann ist ein schlechter Geschäftsmann.

Nun übertreib mal nicht :)

>> Die Kopplung der Einnahmen an abhängige Beschäftigung spielt
>> eine ebenso große Rolle.

Natürlich, da bin ich ganz Deiner Meinung. In der Tat ist auch das ein Bestandteil der oft genannten "Kostenexpolsion" - und auch in diesem Fall ist der Begriff "Kostenexplosion" IMHO vollkommen deplaziert, wird aber dennoch regelmäßig dafür "missbraucht".

>> Es gab aber auch Maßnahmen, die die Kosten senken sollten:

Ja, richtig. Das geht mir persönlich aber nicht weit genug.

>> Oh nein, das Ziel war der Schuldenabbau!

Na gut, das habe ich wirklich wiedersprüchlich formuliert. Hauptziel war selbstverständlich der Schuldenabbau, aber eines der, sagen wir "Unterziele" war nunmal, dass das System durch die Praxisgebühr an sich effizienter funktioniert (was ja durchaus gelungen ist) und somit zu erreichen, dass Schulden abgebaut werden können, ohne dass sich die Versicherten schlechter stellen würden (was ja prinzipiell auch möglich gewesen wäre, aber eben nicht gemacht wurde). Das war schließlich eines der meistgebrachten Argumente Seitens der Politiker, dass die Versicherten unter dem Strich nicht schlechter dastehen.

>> Natürlich ablehnend, weil sie anderer Meinung ist (wie Andreas_B)

Das stimmt nur bedingt. Würde ich die Regierung für fähig genug halten, tatsächlich alle benötigten Schritte einzuleiten und durchzuziehen, dann wäre das schon etwas anderes.

Ciao,
Andreas.


[ Dieser Beitrag wurde von Andreas_B am 09.10.2006 um 14:55 Uhr geändert. ]

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09.10.2006, 14:59 Uhr

NoImag
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Zitat:
Original von Maja:
Ich habe schon oft genug erlebt, dass Berichterstattung den ursprünglichen Infos im Detail nicht mehr ähnlich sehen. Ein Beispiel ist die Besteuerung von Zuschlägen für Nachtarbeit. Hier wird seit einiger Zeit ab einem Stundengrundlohn (sprich: fixes Stundenentgelt ohne variable Entgeltbestandteile) in Höhe von 25 EUR/Std. Steuer auf Nachtzuschläge erhoben. Was wurde in der Presse daraus? "Nachtzuschläge werden ab 25 EUR versteuert." Kurz und prägnant ist ja schön. Aber zu kurz wird was gängzlich anderes draus.


Ja, die mangelnde Qualität journalistischer Arbeit ist ein Problem. Am ersten Tag wird noch ausführlich und halbwegs korrekt berichtet, am zweiten Tag ist es bereits so verkürzt, dass die Aussage der Journalisten nichts mehr mit der ursprünglichen Aussage zu tun hat. Da hilft nur eine aggressive Kampagne von Regierungsseite.

Zitat:
Du bist schon bei einer Reform der Kostenseite im Reformpaket. Es gibt über 300 gesetzliche Krankenkassen. Es wäre in der Tat wünschenswert, diese Zahl z. B. durch Fusionen kleiner Kassen mit wenigen Versicherten stark zu reduzieren. Durch die Verpflichtung zum Finanzausgleich der Kassen untereinander gibt es ohnehin keinen echten Wettbewerb. Was da künstlich am Leben erhalten wird, damit das Kind nach freier Kassenwahl riecht, kostet nur das Geld der Versicherten aller Kassen.

Eine einzige Kasse würde tatsächlich reichen. Aber die Kassen werden ja eh alle abgeschafft, wenn die gKV steuerfinanziert ist (die Mehrwertsteuer kann man ja keinem Mitglied zuordnen ;) ). Solange dass System so ist, wie es ist, bin ich mir aber selbst der liebste und gegen eine Abschaffung angeblich kleiner Kassen. Meine Kasse ist die größte Ersatzkasse in ihrem Stammgebiet, bundesweit aber "klein", da sie nicht bundesweit verfügbar ist. Diese Kasse ist schuldenfrei, hat unterdurchschnittliche Beitragssätze, unterdurchschnittliche Verwaltungskosten, ein überdurchschnittliches Leistungsangebot und einen erstklassigen Service. Dies zu zerstören, macht keinen Sinn.

Zitat:
Ein anderes Thema ist die Kostenentwicklung insgesamt. Ich halte es für eine schöne Illusion zu glauben, die Gesamtkosten könnten irgendwann mal wieder sinken. Selbst wenn man es schaffen würde, alle die nur aus Langeweile zum Arzt gehen davon abzuhalten, die Kosten für Medikation und Behandlung Kranker wird weiter steigen, wenn wir aus technischer Sicht nicht auf dem Stand von heute verharren wollen. Das kann sich niemand ernsthaft wünschen. Wer möchte sich wünschen, dass es z. B. niemals möglich sein soll Alzheimerpatienten oder besonders bösartige Krebserkrankungen wirklich zu heilen, nur damit die Kosten im Gesundheitswesen nicht mehr steigen?
...
Und darum ist es so besonders wichtig die Einnahmeseite in einer Weise zu reformieren, die geeignet ist das Gleichgewicht zwischen Zahl der Leistungsberechtigten und dem versicherten Risiko wieder herzustellen. Fernab von allen gesellschaftlichen Standesdünkeln.


Dem kann ich nur voll zustimmen.

Tschüß




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