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Archiv 'Verschiedenes'


18.Dez.2022



Adventskalender: Tür 18 - Marcus Sackrow
Zum vierten Advent haben wir Marcus 'ALB42' Sackrow als Geschichtenerzähler gewonnen.

Marcus ist Free-Pascal-Programmierer und hat im Laufe der Zeit eine Menge Projekte gestemmt, über die er regelmäßig auf seinem Blog informiert.
So begann er 2014 mit der Portierung von Free Pascal zunächst auf AROS und später auch auf AmigaOS 3.1. Zuletzt veröffentlichte er im Mai 2021 Free Pascal 3.2.2 für alle Amiga-Systeme.
Ebenso begann er ab 2015 an seinem Texteditor mit Syntax-Highlighting für AROS, EdiSyn, zu arbeiten, bis zur aktuellen Version 0.54.
Mitte 2016 begann er an seinem OpenStreetMap-Viewer Mapparium zu arbeiten, den er bis zur Version 0.8 weiterentwickelte und ebenso wieder für alle Amiga-Systeme bereitstellte. Zu seinem umfangreichen Schaffensreichtum gehört ebenso sein Free-Pascal-Programm Leu zum Laden und begrenzten Bearbeiten von Excel- (xlsx), Open- bzw. LibreOffice- (ods) sowie TurboCalc- (tcd) und ASCII-Dateien (csv).

Die Liste könnte man noch lange fortsetzen, aber unbedingt erwähnt werden muss natürlich sein aktuelles Projekt AmiTube: ein YouTube-Client für alle Amiga-Systeme, der es ermöglicht, sich YouTube-Videos auf einem Amiga anzusehen. Dafür werden diese in Commodores CDXL-Format umgewandelt und heruntergeladen.

Um die Zeit bis auf Weihnachten etwas zu verkürzen, hat er uns freundlicherweise noch ein Spiel hinter sein 18. Türchen gepackt: sein "Amigale" ist eine Umsetzung des bekannten "Masterminds" (oder auch Logiktrainers) mit Wörtern für Amigas ab Kickstart 1.3, was aktuell als "Wordle" überall aufpoppt. Aufgabe ist es, ein Wort zu erraten, wobei einem das Programm sagt, ob ein Buchstabe enthalten ist bzw. sogar an der richtigen Stelle steht. "Amigale" (Download am Ende der Geschichte) enthält sowohl ein deutsches, als auch englisches Wörterbuch:


Herzlichen Dank, Marcus, und weiterhin gutes Gelingen für deine Projekte! Und mit seiner Anekdote wünschen wir ihm und allen unseren Lesern einen schönen vierten Advent:

Amiga, Chemie und Internet

1997 begann ich ein Chemiestudium an der Universät Siegen. Mein Professor in der Vorlesung Allgemeine Chemie (Prof. Meixner) war ganz neu an dieser Universität und hatte viel Interesse an Computer und Internet.
Er hatte eine schöne neue Idee für eine neue Webseite und einen Studenten dafür. Da er aber neu an der Universität war, kannte er nur uns Erstsemester und irgendjemand von meinen Kommilitonen hat ihm wohl auf Nachfrage meinen Namen genannt. Daher stellte ich mich für diesen Job vor.
Die allgemeine Chemie-Vorlesung, die ich bei ihm hatte, ist eine sehr grundlegende Vorlesung über die Chemie, ein wenig Wiederholung aus dem Chemieunterricht (damit alle auf denselben Stand kommen) aber auch schnell neue Dinge, damit es nicht zu langweilig wird. Eine Eigenschaft im Gegensatz zu späteren Vorlesung war, dass sie sehr viele chemische Experimente als Präsentation auf dem Professorenpult enthielt. Und das waren wirklich viele, teilweise 5-6 pro Vorlesungsstunde.
Besonders beliebt waren natürliche alle Experimente, die irgendwas mit Feuer oder Explosionen zu tun hatten. (Eine tiefe Erinnerung hat da die Phophorexplosion hinterlassen, nachdem der gesamte Hörsaal noch 20 Minuten ein Pfeifen im Ohr hatte, nicht gesund).
Professor Meixners Idee war, den Studenten eine bessere Möglichkeit zu geben, die Vorlesung vorzubereiten oder nachzuarbeiten, was am besten über die Versuche funktioniert. Natürlich wirken Filme viel besser als simple Bilder und Text, also war die Idee, die Experimente aufzunehmen und mit Erklärung ins Internet zu stellen.
Ich sollte für die technische Umsetzung verantwortlich sein, also die Filme erstellen, umwandeln und die HTML Seiten erstellen. Um zu zeigen, dass ich das auch gut kann, sollte ich erst mal die Webseite für seine Forschungsgruppe erstellen.

Zu dieser Zeit hatte ich nur meinen Amiga 1200, zu der Zeit noch mit Modem als Verbindung zum Netzwerk der Universität. Also hab ich die gesamte Seite auf meinem Amiga erstellt und getestet und dann via FTP auf den Server der Universität hochgeladen. Die HTML-Texte selbst sind alle mit einem puren Texteditor (GoldED) entstanden, ich habe einige der HTML-Editoren probiert, war aber nicht so zufrieden. Vor allem, da ich die Seiten dann mal gegen den online HTML-Validator getestet habe (HTML 3.2 war noch recht neu damals). Professor Meixner hatte so ein Key-Satz für seine Forschung, "Spionage in der Welt der Moleküle", wofür ich ein Logo entworfen hatte: ein Wassermolekül mit einer Lupe davor. Und da ich gerade irgendein 3D-Kurs in einem Amiga Magazin gelesen hatte, setzte ich das Logo als 3D Animation um (Lightwave fürs 3D, ADPro zum Bilder umwandeln/verkleinern, MainActor für die GIF Animation). Ich war zufrieden und der Professor war begeistert.
Spätere Versionen der Seite sind auf archive.org noch verfügbar (eine kleine Warnung: 90er Wepage-overload ;))

Für das eigentliche Projekt wurde jetzt Geld beantragt, ein Computer mit Framegrabberkarte und eine sehr billige (PAL) Kamera gekauft - billige USB Cameras gab es noch nicht, daher diese Kombination. Die Kamera wurde gewählt, da einige der Versuche sehr gefährlich waren und wir damit rechnen mussten, dass die Kamera zerstört oder zumindest beschädigt wird. Dies ist allerdings nicht passiert, da wir doch immer recht vorsichtig waren und die Kamera extra geschützt haben, teilweise mit eigenem, zusätzlich schützendem Gehäuse.

Insgesamt waren drei Leute daran beteiligt, eine technische Mitarbeiterin, welche die Versuche vorbereitete und durchführte (sie hatte da viel Erfahrung, da sie das auch für die Vorlesung tat). Ein fortgeschrittener Student (ich glaube, er war kurz vor dem Diplom) für die fachliche Unterstützung und Texte auf der Webseite und ich als Verantwortlicher für die Technik und die eigentliche Webseiten-"Programmierung".

Die Grundidee war ja, die Versuche aufzuzeichnen, dann Bilder davon und Beschreibung ins Netz zu stellen und wenn möglich sogar die Videos selber. Dabei stießen wir aber recht schnell auf das Problem, dass so gut wie alle Studenten nur Zugang zum Internet via Modem hatten (wie ich mit meinem 33.600 Modem). Das bedeutete, die Filme durften nicht zu groß sein.
Auf der anderen Seite gab es kaum Videoformate, die man universell abspielen konnte. Daher entscheiden wir uns für MPEG, da man dort fast immer einen Player findet (sogar auf dem Amiga) und als Notnagel als GIF-Anim.
Dabei setzte Professor Meixner die Dateigrößengrenze auf 500 Kb fest. Zum Erzeugen der Webseiten und vor allem auch zum Erzeugen der GIF-Animationen kam wieder der Amiga zum Einsatz (inklusive des Hintergrund-Bildes, welches auch auf dem Amiga mit PPaint entstand).

Die Aufnahme und Verarbeitung der Versuche hat mehrere Monate gebraucht, später wurden die Versuchsbeschreibungen noch in Spanisch und Französisch übersetzt und durch kleine Quizfragen ergänzt.

Kleine lustige Anekdote zum Abschluss: als die Seite online ging, machte sich die Universität große Sorgen, da ja hier beschrieben wurde, wie man Sprengstoff herstellt (Schwarzpulver ist einer der Versuche, aber auch Phosphor oder Termit; sind ja ziemlich heftige Versuche). Daher wollten sie diese Versuche nicht im freien Internet sehen, wir mussten extra einen IP-Filter installieren, damit nur Studenten der Universität Siegen diese Versuche sehen konnten. Ein paar Jahre später interessierte das keinen mehr.

Die Seite existiert bis heute, auf archive.org, aber auch als Kopie auf meiner eigenen Seite.

Download: Amigale1c.zip (88 Kb) (dr)

[Meldung: 18. Dez. 2022, 06:57] [Kommentare: 3 - 19. Dez. 2022, 06:18]
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17.Dez.2022



Adventskalender: Tür 17 - Thomas Claus
Hinter dem 17. Adventskalendertürchen erwartet und die Anekdote von Thomas 'imagodespira' Claus, der als Grafiker zusammen mit dem Programmierer Frank Menzel das Duo von EntwicklerX bildet.

Denkt man an EntwicklerX, so fallen einem zwei Dinge ein: der kommerzielle Mediaplayer Emotion und aufwendig geschriebene Spiele für AmigaOS 4. Und da ist für jeden etwas dabei. Eine kleine Aufzählung: Die Entwicklung ihres Mediaplayers Emotion starteten sie im Jahre 2016 und veröffentlichten bald darauf eine erste Alpha-Version. Anfang 2017 erschien dann die offizielle Version. Auf der Entwickler-Seite ist ein Update auf die Version 1.9 verfügbar. Wie uns Thomas erzählte, sind weitere Spiele und Remastered Versionen geplant - da sie aber keine reinen Amiga-Entwickler sind, natürlich immer auch in Abhängigkeit anderer Projekte. Wir wünschen viel Erfolg und freuen uns auf die heutige Anekdote:

"Mein erster Computer war ein Atari 130XE. Zur Wendezeit gab es ein "Begrüßungsgeld" für DDR-Bürger und mein Bruder und ich erbettelten uns "unser" das Geld von unseren Eltern, um einen Computer im Intershop kaufen zu dürfen. Wir hatten natürlich keine Ahnung von Computern, wir wollten nur einen. Als wir dann im Intershop standen, gab es für die 200 DM (100,- pro Kind) nur eine Möglichkeit. Ein Atari 130XE für 192,- (der Wert hat sich bei mir eingebrannt, ich hoffe, er stimmt ;)). Also haben wir diesen gekauft. Es gab natürlich auch C64 Computer und Amigas standen sicher auch in der Ecke, nur finanziell unerreichbar.

Zu Hause angekommen wurde das Gerät am Raduga TV (russische Marke, sehr explosiv) angeschlossen. Es kam ein blauer Bildschirm mit dem Text "Ready". Das war´s auch schon. Durch Probieren bekamen wir in einen Bildschirm, wo Noten zu sehen waren. Unsere Englischkenntnisse gingen gegen Null, also konnten wir "Self Test" nicht mal übersetzen (ich war 13 und wir lernten Russisch in der Schule). Der Self Test brachte uns jedoch eine Melodie und machte Lust auf mehr. Danach wurde etwas im Handbuch gewühlt und wir fanden heraus, dass es ohne externe Medien nicht weitergeht. Wir brauchten eine "Datasette". Wir flehten und bettelten wieder die Eltern an und konnten das Geld meiner kleinen Schwester für unseren Atari abstauben und somit eine Datasette XC12 und ein Spiel (Kikstart) kaufen. Das war der Einstieg in meine Computer-Welt. Im Laufe der Zeit fanden wir heraus, dass unser Nachbar einen Atari 800XL hatte und so kamen wir an etwas Software. Mein Lieblingsspiel war damals "Montezuma´s Revenge. Eigentlich ist es immer noch mein Lieblingsspiel. Inzwischen habe ich wieder einen Atari 130XE, Datasette und ab und an gebe ich mir eine Runde Montezuma...

Zurück in meine Jugend. Als glücklicher Atari Fan träumte ich vom Atari ST, MegaST und anderen Atari Geräten, die irgendwann auch bei uns in Computer-Shops standen. Amiga hat mich gar nicht interessiert. Aber eines Tages rief mein Cousin an, der eine Straße weiter wohnte. "Komm mal rüber, ich will dir was zeigen". Gesagt, getan. Nun stand ich bei ihm im Zimmer. Auf dem Fußboden stand ein alter Fernseher, davor ein Amiga 500 und es lief Rick Dangerous. Ich habe noch nie so eine Grafikpracht gesehen, es sah aus wie echt. Der Sound war der Hammer, besonders das Sterben im Spiel. Das hörte man ja oft... Ja, was soll ich sagen. Das war eine schnelle Bekehrung. Nach dem Nachmittag wusste ich gar nicht mehr, wie man Atari schreibt. Ich wollte einen AMIGA! Einige Zeit später konnte ich den Atari verkaufen, mein Bruder war in der Ausbildung und gab Geld für einen Amiga 500 dazu und ich habe bei meiner Tante den Kohlenkeller ausgeschaufelt, um eine Speichererweiterung kaufen zu können... Von hier an gab es kein Zurück mehr.

Um einen Bezug zu heute zu bekommen: wie einige vielleicht wissen, entwickle ich mit Frank Menzel bei den EntwicklerX kleine Spiele. Auch für AmigaOS 4. Davon geträumt habe ich schon mit dem ersten Atari. Hier habe ich in Basic mit den Befehlen "Plot" und "DrawTo" einfache Pixel-Bilder gezeichnet (hatte kein Zeichenprogramm). Später habe ich dann in Deluxe Paint gepixelt, meist auch kleine Spielszenen für Plattformer. Also Laufebenen und Hindernisse. Montezuma´s Revenge aber auch Rick Dangerous hat mich nie mehr richtig losgelassen und somit konnten wir Anfang 2021 unser "Pyramid Quest" fertigstellen und auf Windows, Playstation, Nintendo Switch und Xbox veröffentlichen. Mein 14-jähriges Atari-Ich hat schon davon geträumt, aber hätte es nie für möglich gehalten, so etwas hinzubekommen. Wir sind zwar keine bekannten Entwickler, haben keinen Hit, aber kommen um die Runden und träumen immer noch von neuen Projekten, die für 2 Leute realisierbar sind. Oft sind unsere Spiele Interpretationen alter Spiele und Spielprinzipien, die wir früher am Amiga geliebt haben und immer noch lieben und gerne spielen.

Wer Lust hat, kann ja mal reinschauen. Auf diversen Plattformen, zum Beispiel itch.io, findet ihr unsere Projekte. Das ein oder andere Spielprinzip wird euch sicher bekanntvorkommen, auch wenn die Umsetzungen oft etwas anders sind und die Vorlagen meist unerreichbar bleiben...". (dr)

[Meldung: 17. Dez. 2022, 09:45] [Kommentare: 14 - 20. Dez. 2022, 15:57]
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16.Dez.2022



Adventskalender: Tür 16 - Günter Bartsch
Das 16. Adventskalendertürchen wird geöffnet und wir freuen uns auf eine Anekdote Günter Bartsch.

Ende August 2021 hatte der Entwickler nicht nur den Quellcode seines Amiga QuickBasic (AQB) Compilers auf GitHub, sondern auch eine erste frühe Version 0.7.0 veröffentlicht und in den Kommentaren zu unserer entsprechenden Meldung großes Interesse geweckt.
Mit AQB möchter der Autor ein "modernes, sauberes, OS-konformes und zukunftsfähigen BASIC bereitstellen. Ein wichtiges Feature von AQB sind die Module: AQB hat nur relativ wenige fest eingebaute Befehle, dafür aber ein - auch syntaktisch - recht leistungsfähiges Modulkonzept. Die Implementierung der Module kann dabei voll transparent in BASIC (AQB) oder auch in C (GCC) oder sogar gemischt erfolgen, AQB ist voll link-kompatibel zum GCC.

Wie der Entwickler weiter erläutert, sollte es damit möglich sein, AQB verschiedene "Personalities" zu geben - aktuell sei nur _aqb implementiert, was als Default-Dialekt gedacht ist und sich an AmigaBASIC, QuickBASIC und FreeBASIC orientiere. Es sollte aber ebenso gut möglich sein, AQB z.B. eine GFA-, Blitz- oder Amos Personality zu geben. Generell läge der Fokus bei AQB (momentan) auf der systemkonformen Anwendungsentwicklung.

Mit der Version 0.8.0 führte er dann einen Source Level Debugger ein und seit der letzten, aktuellen Version 0.8.2 gibt es nun Anweisungen und Funktionen für die Soundausgabe, neue Tutorials und auch ein einfaches Musik-Demoprogramm.

Auch wenn seit der letzten Version ein knappes Jahr vergangen ist, so arbeitet Günter kontinuierlich weiter an seinem Projekt. Wie er uns schildert, habe es schon recht große Weiterentwicklungen gegeben, die er "nur" endlich mal in einen releasefähigen Zustand bringen müsste. Dafür und für die weitere Entwicklung seines Projektes drücken wir die Daumen und freuen uns auf noch viele spannende Diskussionen hier darüber. Seine Anekdote oder in diesem Fall besser gesagt: Kurzgeschichte :)

"Wir schreiben das Jahr 1988. Zu Beginn des Jahres war ein Ereignis eingetreten, das mein Leben für immer verändern sollte: ich hatte einen Amiga 500 zum Geburtstag bekommen. Seit der Amiga im Fernsehen in einer Folge der ARD Computerzeit vorgestellt worden war wusste ich: so einen Computer will ich haben und keinen anderen. Gleichzeitig waren damals (ich war 12) meine finanziellen Möglichkeiten sehr begrenzt - aber irgendwann hatte ich meine Eltern so weit bearbeitet, dass sie mir meinen Wunsch erfüllten.

Getragen von viel Euphorie und noch mehr kindlicher Naivität und Neugier hatte ich nun jede freie Minute (und auch viele Minuten, in denen ich eigentlich andere Dinge hätte tun sollen) des Jahres damit verbracht, mich mit diesem Traumcomputer (ich konnte eigentlich immer noch nicht so recht fassen, dass dieser nun tatsächlich in meinem Zimmer steht) zu beschäftigen. Viele würden sich nun vermutlich ausmalen, dass ich vor allem mit dem Amiga spielen wollte - das war aber nicht der Fall. Tatsächlich besaß ich gar keine Spiele für das Gerät und als echter Geek ohne Freunde war auch die Versuchung, durch private Sicherheitskopien in die Spielewelt abzudriften, eher gering.

Stattdessen tat ich mit dem neuen Computer das, was ich auch mit meinem Commodore Plus/4, den ich vor dem Amiga hatte - ebenso in Ermangelung von anderer Software - getan hatte: ich programmierte in BASIC. Auf dem Amiga hieß das konkret AmigaBASIC, das auf der Extras-Diskette mitgeliefert worden war.

Trotz aller Euphorie kamen mir doch recht bald Zweifel, ob dieses Werkzeug wirklich so ganz das gelbe vom Ei sein kann. Die Ausführungsgeschwindigkeit der Programme war verglichen mit meinem Plus/4 vielleicht noch OK, aber vor allem der Editor war doch enorm träge. Das waren aber Gedanken, die ich erst einmal nie auszusprechen gewagt hätte - schließlich war der Amiga der beste und schnellste Computer im gesamten Universum und AmigaBASIC war das offizielle BASIC, das direkt von Commodore kam, also der Firma, in der (in meinem Weltbild) jene Götter wirkten, die diesen Traumcomputer geschaffen hatten - wie könnte es da etwas besseres geben?

Glücklicherweise kam ich dann aber in den Besitz einer Ausgabe des Amiga Magazins. Auch wenn ich sicher nicht alle Artikel darin verstand so hatte ich doch entnommen, dass es andere Programmierumgebungen für den Amiga gibt, die möglicherweise eine Verbesserung gegenüber dem AmigaBASIC darstellen könnten.

Und so kam es, dass ich zusammen mit meiner Mutter nun durch die vorweihnachtlich dekorierte Innenstadt von Stuttgart stapfte, um Kaufhäuser und Computerläden nach einem Weihnachtsgeschenk abzuklappern. Ich schilderte also diversen Verkäuferinnen und Verkäufern meinen Kummer mit dem AmigaBASIC und fragte mutig nach Compilern und Assemblern. Mit den letzten beiden Begriffen konnte das Personal meist wenig anfangen, aber immerhin kannte man zumindest in zwei Geschäften das Problem mit dem AmigaBASIC und bot jeweils das im Haus favorisierte Produkt dafür an. An dem "True Basic", das mir in der Computerabteilung von Karstadt angeboten wurde, kamen mir dann glücklicherweise doch vor Ort genug Zweifel, als das ich meine Mutter motivierte, es doch nochmal woanders zu versuchen. Bei Schreiber Computer dann wurde mir "GFA BASIC" angeboten und der Verkäuferin gelang es tatsächlich, sowohl meine Mutter als Geldgeberin als auch mich als Nutzer zu überzeugen.

Verglichen mit AmigaBASIC erwies sich GFA BASIC dann auch geradezu als Offenbarung - Geschwindigkeit, Befehlsumfang, Handbuch alles ein Unterschied wie Tag und Nacht, ich war begeistert! Wenn es da noch letzte Zweifel in mir gab, ob diese Investition nun die richtige war (die Aufschrift "Interpreter" auf der Schachtel störte mich schon ein bisschen, wollte ich doch einen Compiler haben), so wurden diese spätestens an Tag zerstreut, als mir ein Exemplar des "Sonderheft 3: Basic und Spiele" des Amiga Magazins in die Hände fiel. Darin fand sich ein Artikel, der verschiedene BASIC Implementierungen auf dem Amiga verglich und in dem GFA BASIC sehr gut abschnitt.

Die ersten Wochen mit GFA BASIC waren dann auch sehr produktiv - die vielen kleinen Beispielprogramme aus dem Handbuch funktionierten gut, ein kleiner Vokabeltrainer war ebenso schnell umgesetzt wie auch diverse kleine Grafik- und Soundexperimente.

Entsprechend fühlte ich mich gut gerüstet und noch mehr motiviert, nun größere Projekte anzugehen. Unter anderem ein Malprogramm sollte es sein, quasi ein DeluxePaint Clone in BASIC (ich hatte ja nun eine tolle Programmierumgebung, also brauchte ich keine Software mehr kaufen, ich konnte mir ja alles selber schreiben - so mein Gedanke). Die Anfänge dieser Projekte waren immer schnell gemacht, erste Erfolge stellten sich ein - Screens und Fenster öffnen und mit der Maus Punkte malen, kein Problem.

Jedoch, mit wachsender Programmgröße stellte sich auch eine wachsende Zahl von Bugs ein - nicht weiter verwunderlich, das wusste ich sogar damals schon. Allerdings erwiesen sich diese Fehler als immer schwieriger zu finden:
Programmfunktionen, die eben noch tadellos funktionierten, wollten nun auf einmal nicht mehr, obwohl der betreffende Code derselbe war. Ja, selbst die eingebauten Befehle des Interpreters taten gelegentlich auf einmal nicht mehr so, wie ich angenommen hatte. Ich debuggte tiefer und tiefer, schrieb kleine Testprogramme - die meist problemlos funktionierten - aber sobald ich den Code zurück in mein großes Programm übernahm, verhielt er sich plötzlich ganz anders oder stürzte gleich komplett ab.

Freilich ließ ich mich davon nicht beirren - offenbar gab es einfach viel zu lernen für mich, offenbar machte ich halt immer wieder irgendwas falsch und deswegen funktionierten meine Programme nicht. Schnell wurde mir klar, dass die Befehle offenbar miteinander in komplexer Weise interagierten - mit dieser Erkenntnis konnte ich dann auch viele meiner Probleme beheben. "Aha, ich muss erst die Vordergrund und dann die Hintergrundfarbe setzen, dann funktioniert es" - so in der Art sahen meine Erkenntnisse, die ich mir fleißig in's Handbuch notierte, dann aus.

Mit der Zeit wurden meine Hypothesen, mit denen ich mir das Verhalten des Interpreters im speziellen und des Amigas im allgemeinen zu erklären versuchte, immer komplexer. Offenbar gab es da einen enormen Schatz an Geheimwissen zu entdecken, wie diese Wundermaschinen tatsächlich funktionierten. Logisch, dass dieses Geheimwissen nicht im Handbuch zu finden war, sondern sich nur mühsam durch viele Experimente und aus vielen Quellen zusammentragen lässt. Ich ließ mich nicht entmutigen - ganz im Gegenteil, ich war fasziniert von dem Gedanken, dass es da offenbar eine mystische Welt zu erkunden gibt und motiviert von der Vorstellung, mich vielleicht irgendwann zu dem verschwiegenen Kreis der Menschen, die dieses Wissen besitzen, dazuzählen zu können.

Völlig unbeirrt experimentierte ich also weiter und zog auch immer mehr Literatur zur Rate. "GFA BASIC 3.0 - Training für Fortgeschrittene" war eines der Werke, von denen ich mir Erleuchtung erhoffte. Das Buch - immerhin direkt von der GFA Systemtechnik GmbH herausgegeben - eröffnete mir tatsächlich neue Horizonte. Manche der Konstrukte hatte ich noch nie gesehen, von manchen der Befehle noch nie gehört - dass die meisten der Beispielprogramme auf der Diskette zum Buch bei mir erst mal unmodifiziert nicht funktionierten erstaunte mich nicht im geringsten. Zum einen hatten die Programme, die ich vorher aus Büchern und Zeitschriften abgetippt hatte auch meist auf Anhieb nicht funktioniert, zum anderen konnte ich ja mein bis dahin zusammengetragenes Geheimwissen dazu verwenden, die Programme an's Laufen zu bringen - was mir tatsächlich auch meistens gelang.

Trotz all dieser Teilerfolge und Erkenntnisse - so ein richtiger Durchbruch wollte mir einfach nicht gelingen. Meine größeren Programmen blieben eher wackelige Gebilde und so ganz langsam stellte sich ein Gefühl von Frustration ein.

Bei meiner Literaturrecherche bin ich dann irgendwann auf das Buch "AMIGA Programmieren mit MODULA-2" aus dem Markt und Technik Verlag gestoßen. Den passenden Compiler dazu gab es - wenn auch nur als sehr eingeschränkte Demo-Version - auf einer Fish Disk. Das war dann wieder so ein Offenbarungs-Moment: ein echter Compiler, ich kann richtige Programme schreiben wie die Profis - und die funktionierten sogar! Alles so klar und strukturiert, alles tut was es soll, einfach so, wie es da steht? Sollte sowas möglich sein, sollte da eine Welt so ganz ohne mystisches Geheimwissen existieren?

An dem Punkt war dann GFA BASIC recht schnell vergessen in meinem Leben - die Wirthschen Sprachen hatten es mir angetan, die kommenden Jahre sollte ich glücklich mit Modula-2, Pascal und Oberon verbringen, aber das ist eine andere Geschichte.

Es war dann eher durch Zufall, dass ich irgendwann in dieser Zeit herausgefunden hatte, was hinter meinen Erlebnissen mit GFA BASIC steckte:
in irgendeinem Zeitschriftenartikel wurde GFA BASIC 3.5 getestet und eher beiläufig erwähnt, dass die ersten Versionen von GFA BASIC für den Amiga noch sehr viele Fehler hatten, sich der Zustand aber mit jedem Update gebessert hätte. GFA BASIC hatte Fehler?! Dieses Produkt, das ich gegen Geld erworben hatte, das so sauber verpackt und von absoluten Profis gemacht worden war, war nicht perfekt? Diese vielen Effekte, die ich so mühsam erkundet hatte, sollten die etwa gar nicht beabsichtigt gewesen sein?

Ich kann kaum in Worte fassen, wie die Dimension dieser Erkenntnisse mir langsam dämmerte: Ich hatte einfach nie in Erwägung gezogen, dass die Fehler nicht an mir liegen könnten! Mehr noch, vermutlich war der einzige Fehler, den ich gemacht hatte war, dass ich diese Registrierkarte die der Box bei lag nie ausgefüllt und zurückgeschickt hatte - so habe ich nie von den Updates erfahren.

Nunja, heute denke ich gerne schmunzelnd an diese Zeit damals zurück - es waren sehr wichtige Lektionen, die ich damals gelernt habe, viel davon prägt mich noch heute. Ohne den Amiga, ohne diese Programmierumgebungen - ich wäre wohl nie da hingekommen, wo ich heute bin, dafür bin ich sehr dankbar." (dr)

[Meldung: 16. Dez. 2022, 06:51] [Kommentare: 3 - 16. Dez. 2022, 20:18]
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